Die Küche ist der zentrale Raum der Almhütte. Im Sommer lebt Simone König mit Kindergruppen und Ziegen auf der Alpe Agtenwald.

Foto: Christian Grass

In der kalten Jahreszeit arbeitet Simone König als Landschaftsplanerin. Im Sommer ist sie auf der Alm und vermittelt Kindern das Einmaleins des Berglebens. Jutta Berger war dabei.

"Ich bin nun den sechsten Sommer auf einer Alp, so sagt man in Vorarlberg zur Alm. Mein damaliger Freund Josef hat mich 2007 auf die Idee gebracht. Er wollte einen Teil seines Sabbaticals auf der Alp verbringen. Daraufhin hab ich gleich einen Sennkurs absolviert, und Ende Mai war dann mein erster Alpaufzug - mit 19 Kühen und ein paar Ziegen. Die ganze Milch wurde zu Hartkäse verarbeitet. Anscheinend gut, der Käse wurde gelobt!

Schon damals haben mich die Buben und Mädchen aus dem Kinderdorf hier oben auf der Hütte besucht. Es war spannend zu sehen, wie sehr sich die Kinder für die Abläufe interessierten und welchen Spaß sie beim Mithelfen hatten. Und so entstand die Idee, nicht die Käserei in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die pädagogische Arbeit.

Man kann sagen, dass ich hier im Laternsertal die passende Hütte für mein Ferienprojekt mit Tieren und Alparbeit gefunden hab. Die Hütte steht auf 1261 Meter Seehöhe, die Grundmauern sind 300 Jahre alt. Ihren Namen hat die Alp vermutlich von einer Agatha - entweder von der Heiligen oder von der Frau des ersten Besitzers. Das weiß man nicht. Gerodet wurde die Alp jedenfalls von den Walsern, irgendwann zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert. Die Agrargemeinschaft Rankweil stellt mir die Alpe Agtenwald zur Verfügung, im Gegenzug pflege ich gemeinsam mit den Kindern und den Ziegen die Landschaft. Wir schneiden den Farn und räumen Steine aus der Weide.

Die genaue Tagesstruktur geben Tiere und Wetter vor. Stallarbeit, melken, die Ziegen auf die Weide bringen und wieder zurück in den Stall und wieder melken. Diese Routine lässt die Kinder und mich hier oben zur Ruhe kommen. Die integrativen Gruppen bestehen aus sieben Mädchen und Buben unterschiedlichen Alters. Sie lernen hier unter anderem, die Ziegen zu melken. Das stärkt die feinmotorischen Fähigkeiten und die Konzentration. Und wenn man auf so engem Raum miteinander lebt, dann lernt man auch, aufeinander Rücksicht zu nehmen.

Wohnen auf der Alp ist im Vergleich zum Wohnen im Tal sehr reduziert. Wohnbereich und Stall befinden sich in einem Gebäude. Das ist sehr praktisch für den guten Kontakt mit den Tieren. Und ich mag, dass für den Innenausbau sehr viel Holz verwendet wurde. Die erste große Renovierung der Hütte wurde in den Fünfzigerjahren gemacht, die nächste dann in den Neunzigern. Da wurde die Hütte ans Stromnetz angeschlossen! Jetzt haben wir warmes Wasser und sogar eine Waschmaschine. Die Küche ist der Hauptraum. Hier spielt sich alles ab, vor allem wenn das Wetter schlecht ist. Es gibt einen großen Tisch, an dem zehn Leute Platz finden, und ein Kanapee zum Ausruhen.

Die Sanitäranlagen sind einfach, aber zweckmäßig. Alles auf der Alp ist einfacher als unten im Tal. Dass man mit wenigen Dingen auskommen muss, macht für mich das Leben hier oben so interessant. Man hat weniger Kochtöpfe, wenig Geschirr, kaum Elektrogeräte. Der Herd wird mit Holz geheizt. Jeden Morgen feuert ein anderes Kind ein. Für manche ist das ein elementares Erlebnis, weil sie zum ersten Mal den Zusammenhang von Holz, Feuer, Hitze und Kochen erleben.

Das ganze Leben spielt sich am selben Ort ab. Es gibt die Alphütte, den Stall und die Flächen rundherum. Das ist quasi das kleine Königreich, in dem man sich bewegt, in dem man arbeitet und in dem man die Freizeit verbringt. In dieser Zeit gibt es keinen Termindruck. Ich verlasse die Alp höchstens, um im Dorf unten einzukaufen. Aber nur ungern - das Leben da unten im Tal ist so hektisch. Wenn ich nach zwei Monaten wieder meine Sachen zusammenpacke, dann freue ich mich aber wieder auf das Leben in meiner Haus-WG daheim." (Jutta Berger, DER STANDARD, 14./15.7.2012)