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In der ÖVP-Funktionärsfibel wird Rot-Grün als gefährliche Drohung bezeichnet.

Foto: APA/Roland Schlager

Die ÖVP bereitet sich aufs kommende Wahlkampfjahr 2013 vor - mit einer (laut Impressum) von Parteistrategen in Kooperation mit dem schwarzen Parlamentsklub erstellten Funktionärsfibel gegen Rot-Grün. Nun dürfte diese politische Konstellation nicht die Wahrscheinlichste für die kommende Legislaturperiode sein: Österreich war und ist, von größeren Städten abgesehen, ein konservativ geprägtes Land mit einem breiten rechten Rand.

Aber in der ÖVP sieht man offenbar besondere Chancen, eigene Positionen gegen eine linke Mehrheit zu entwickeln - wohl, um in dieser Abgrenzung das eigene Profil zu schärfen. Insofern ist das, was in der Broschüre "Top-Standpunkt. Rot-Grün: eine gefährliche Drohung" steht, weder als zufällig, noch als besonders übertrieben einzuschätzen. Sondern als Argumentesammlung aus der ÖVP, mit der diese ein paar Prozent mehr einfahren möchte - und als solche durchaus repräsentativ für weite Teile diese Partei, wenn sie nach rechts schielt.

Das gilt unter anderem für die im "Top-Standpunkt" vorkommenden Ansichten und Vorschläge zu Themen mit engem Menschenrechtsbezug. Zum Beispiel für das Thema Ermittlungsrechte von Polizei und Justiz. Ein aktuelles Thema, weil die interessierte Öffentlichkeit in diesen Wochen gespannt auf die Vorschläge des (derzeit ÖVP-geleiteten) Justizministeriums zur Novellierung des Antimafiaparagrafen 278a StGB wartet: Jenes Ermittlungsparagrafen, der gegen Tierschützer verwendet wurde, deren Freispruch vom Vorwurf, eine kriminelle Organisation zu sein, vor Kurzem rechtskräftig geworden ist. 

Kein gutes Omen

Wie schaut hier der ÖVP-"Top-Standpunkt" aus? "Rot-Grün setzt alles daran, es den Ermittlungsbehörden durch komplizierte bzw. nicht vorhandenen Mittel unmöglich zu machen, Täter auszuforschen", heißt es in der Broschüre. Im Grunde kein gutes Omen für eine wirkliche Paragraf-278a-Entschärfung. Auch, dass Grüne (sowie, in diesem Fall, FPÖ und BZÖ) die Vorratsdatenspeicherung sowie die neueste Sicherheitspolizeigesetznovelle wegen schwerer Datenschutzbedenken ablehnten - was mit dazu beitrug, dass letztendlich grundrechtsverträglichere Regelungen beschlossen wurden - wird als Argument herangezogen, um zu orakeln: "Die überzogenen datenschutzrechtlichen Forderungen von Rot-Grün würden der Polizei wichtige Möglichkeiten nehmen, Kriminellen das Handwerk zu legen"

Beim Thema Asyl wiederum wird in der Broschüre zwar versichert: "Asyl ist ein Menschenrecht und daran wird auch nicht gerüttelt". Doch jene Institutionen und Vereine, die sich hierzulande um Flüchtlinge kümmern, werden gleichzeitig diskreditiert: "Rot-Grün führt zu einer Explosion der Asylanträge", wird behauptet. Und, weiter: "So soll etwa die Asylindustrie massiv ausgebaut (NGOs) und klassischer Rot-Grün-Klientel mehr Geld gegeben werden".

"Asylindustrie": Heinz-Christian Strache lässt grüßen! Außerdem: Diesen Ausdruck in Zusammenhang mit "NGOs" zu erwähnen, ist eine Heruntermache auch von kirchennahen, im Asylbereich tätigen Organisationen wie Diakonie und Caritas. Dass an anderer Stelle ganz selbstverständlich der von rechts kommende, in den allgemeinen Sprachgebrauch inzwischen hinein operierte Begriff "Gutmenschen" verwendet wird (für Rot-Grün, versteht sich) wundert wenig.

Frei erfunden

Frei erfunden wiederum sind die "Top-Standpunkt"-Argumente, wenn es um die Gleichstellung von Lesben und Schwulen geht. "Rot-Grün will die Adoption für Homosexuelle öffnen - so wie es in der Stadt Wien schon gemacht wird", steht da: Eindeutig eine Fehlinformation, denn das Recht, Adoptionen durchzuführen, kommt einem Bundesland wie Wien gar nicht zu. Vielmehr werden in der Bundeshauptstadt Kinder auch bei Lesben und Schwulen in Pflege gegeben: In eine (von den leiblichen Eltern oder auch Amt) widerrufbare Betreuungsform, die außerdem oft sehr harte Arbeit ist, weil Kinder, die zu Pflegeeltern kommen, aufgrund ihrer Geschichte vielfach bereits Problemkinder sind.

Dass darüberhinaus die Vorstellung einer "Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare" sowie die Idee, die derzeit für Lesben und Schwule reservierte Eingetragene Partnerschaft auch Heteropaaren zugänglich zu machen, als „Angriff" gegen Mama-Papa-Kinder-Familien bezeichnet werden, versteht sich da fast von selbst. 

Zusammengefasst: Hier kündigt sich bei der ÖVP ein Wahlkampf an, der Begriffe und Argumente von weiter rechts verwendet. Der mit menschenrechtlichen Erwägungen, die auf der Höhe der Zeit stehen, nichts zu tun hat. Und dabei soll es in anderen Ländern Konservative wie den britischen Premierminister David Cameron geben, der - zum Beispiel - für die Homo-Ehe eintritt. Mit dem Argument: weil er ein Konservativer ist. (Irene Brickner, derStandard.at, 14.7.2012)