Schüler, die nicht in die Schule gehen, haben es verdient, von der Gesellschaft wahrgenommen, verstanden und unterstützt zu werden.

Es ist auch gut, wenn Eltern, Lehrer, Schüler sich zusammensetzen und auch, wenn Psychologen und Sozialarbeiter diese unterstützen.

Verschiedene Ursachen

"Den Schulschwänzer" oder "die Schulschwänzerin" gibt es nicht. Diese Gruppe ist dermaßen inhomogen, so dass es gar nicht möglich ist, ein Konzept für alle Varianten des unerlaubten Fernbleibens vom Unterricht zusammen zu fassen.

Und da spreche ich noch gar nicht von klinischen Störungen wie der Schulangst (Angst vor Situationen in der Schule oder auf dem Schulweg) oder der Schulphobie (Trennungsangst oder Angst vor dem Verlust der familiären Sicherheit).

Die bewusste Entscheidung eines Jugendlichen, nicht mehr in die Schule zu gehen, kann sehr unterschiedliche Ursachen haben. Als Beispiele können wir Probleme in der Lehrer-Schüler-Beziehung, Leistungsdruck, zu wenig Unterstützung durch die Eltern, familiäre Probleme durch Trennung der Eltern, keine erkennbaren Zukunftsperspektiven der SchülerInnen, fehlendes Interesse an den Angeboten der Schule, etc. nennen.

Schulschwänzen beginnt im Kopf

Ein Schüler oder eine Schülerin schwänzt nicht erst ab drei Tagen die Schule. Meist beginnt das Schwänzen mit einem innerlichen Schwänzen, die Schüler sind zwar körperlich anwesend, aber sie vereinsamen oder zeigen ein Verhalten an dem wir genau erkennen können, dass sie eigentlich nicht hier sein wollen.

Ist dieses Verhalten provokativ, so kann eine unsensible Reaktion der Lehrkräfte die Lehrer-Schüler-Beziehung zerstören, wodurch aus einem Problem plötzlich ein Problemkomplex entsteht. Daher sollten Fachleute nicht erst dann eingeschalten werden, wenn die Schüler bereits unerlaubt vom Unterricht fern bleiben, sondern dann, wenn bereits eine dauerhafte Schulunlust erkennbar wird.

Wenn Fachleute erst vier Wochen nach dem Lehrer-Eltern-Schüler-Gespräches eingeschalten werden, haben wir bereits noch ein weiteres Problem: Die Schüler haben jetzt Angst vor der Reaktion der Lehrer und der Klassenkollegen auf deren Wiedereinstieg.

Strafen

440 € Strafe sind gar kein Instrument zur Unterstützung der Schüler, diese Strafe ist gegen die Eltern gerichtet und kann nur dann hilfreich sein, wenn Eltern die Kinder zwingen, von der Schule fern zu bleiben.

In der Regel wollen die Eltern ohnehin, dass ihre Kinder die Schule besuchen, wissen aber nicht wie sie es anstellen sollen, die Kinder dort hin zu bekommen. Andere Eltern schicken ihre Kinder trotz deren Ängsten in die Schule, lt. Gerald Hüther (Hirnforscher) eigentlich ein Verbrechen, welches einer Misshandlung gleich kommt.

Wenn wir Eltern mit Strafe drohen, werden diese Eltern ihren Kindern ebenfalls mit Strafe drohen, weil dies dann als korrekter Weg empfunden wird. Damit zerstören die Eltern die Beziehung zu ihren Kindern, denn die Kinder fühlen sich unverstanden und wollen dann auch keine Hilfe ihrer Eltern mehr.

Den Hebel richtig ansetzen

Beginnen müssen wir damit, aus den Schulen einen sicheren und einladenden Ort zu machen, in dem Beziehung gelebt wird und gemeinsam Freude am Entdecken von Wissen empfunden werden kann. Einen Ort an dem auch die Eltern sich vernetzen und sich gegenseitig unterstützen. Das ist gut für Schüler aus schwierigen Verhältnissen, beugt aber auch Sucht und Gewalt vor.

Solche Schulen gibt es bereits und es gibt auch Unterstützung durch Fachleute, die Schulen auf ihrem Entwicklungsprozess dahin unterstützen. Eigentlich müssten wir nur noch zugreifen.

Wo diese Basis nicht vorhanden ist, können wir dürftige Notlösungen anbieten: Den Schüler oder die Schülerin stärken, damit er/sie in der Lage ist die Situation in der Schule und in der Familie auszuhalten, bis er/sie endlich selbst über sein/ihr Leben bestimmen darf - und dann müssen wir hoffen, dass sich das Problem nicht wiederholt. (Martin Kaffanke, Leserkommentar, derStandard.at, 13.7.2012)