Die des Linksradikalismus gewiss unverdächtige Kleine Zeitung sprach von einem Heft, das "aus der Mottenkiste rechter Gräuelpropaganda der 90er-Jahre stammen könnte", beim grünen Landesrat Rudolf Anschober sollen sich ÖVP-Funktionäre für das Machwerk entschuldigt haben - wenn die innerparteiliche Argumentationshilfe aus der schwarzen Rauch-Kuchl, wie gelegentlich vermutet, der Auftakt der ÖVP zur Nationalratswahl im nächsten Jahr sein soll, können die politischen Mitbewerber nur hoffen: Weiter so!

Vielleicht hat der Generalsekretär im neurolinguistischen Programmierkurs etwas missverstanden, vielleicht konnte er auch nur dem Drang nicht widerstehen, sich als spätchristlicher Apokalyptiker zu profilieren. Nun weiß es jedenfalls das ganze Land, noch ehe Parteiaktivisten beginnen können, die Saat diskret auszustreuen: Ja zu Rot-Grün heißt Nein zu Österreich, denn "Ja zu Österreich heißt Nein zu Rot-Grün". Oder, um an einen anderen bewährten ÖVP-Slogan anzuknüpfen: Rot-Grün ist nichts für echte Österreicher, weil "Chaos und Anarchie", " Abschaffung der Ehe" und Drogenhölle sowieso. Dass den geistigen Entwicklern dieses Konzepts zur Abtreibung nur "auf Krankenschein" und nicht einmal auf Straßenbahnfahrschein eingefallen ist, lässt auf einen parteischädigenden Mangel an Fantasie schließen. Dennoch sollte der Motivationsversuch bei den Funktionären einschlagen wie eine Bombe, dürsten sie ja sicher nach der Lösung des Rätsels, warum Rot im Bund und Grün etwa in Oberösterreich als Koalitionspartner der ÖVP herhalten dürfen, ohne dass dabei speziell dämonische Züge in Erscheinung träten, in einer Ménage-à-deux aber als Garanten eines sicheren Untergangs an die Wand gemalt werden.

Skandalpersonal

Gewiss, die ÖVP braucht etwas, um als Erbin von Schwarz-Blau aus der Erinnerung der Bevölkerung zu verschwinden und im Bewusstsein der Bevölkerung nicht vor allem als Lieferantin von Skandalpersonal verhaftet zu bleiben. Sie will verhindern, in der Wählergunst noch weiter abzusinken und in einem Wahlkampf zwischen Rot und Blau zerrieben zu werden. Berechtigte Ängste. Aber eine Kampagne, die die eigenen Funktionäre hinter manichäischen Parolen vergattern will, die selbst auf einfachere Gemüter in der Volkspartei kaum überzeugend wirken können, dürfte das nicht leisten.

Die hätten vielleicht lieber Klarheit in anderen Fragen, etwa, wie es ihre Partei nun mit der Bildungspolitik hält. Rot-Grün vorbeugend falsche Bildungsziele zu unterstellen, aber selber Zerrissenheit in den Grundsätzen zu demonstrieren, macht nicht besonders glaubwürdig. Zu feige, sich endlich von pädagogisch unhaltbaren konservativen Maximen zu lösen, lässt man Vordenker arbeiten, denen großzügig erlaubt wird, " bewusst über Grenzen hinaus zu denken"- sprich hinaus über die parteiamtliche Engstirnigkeit -, nur um sie mit dem Risiko zu konfrontieren, diese Grenzüberschreitung könnte dem Parteichef missfallen. Im Übrigen kann man Rauchs Katechismus für Funktionäre auch anders als gegen Rot-Grün lesen: als ein Angebot an die FPÖ. Indem man sich im Ton vergriffen hat, hat man genau den richtigen gefunden. (Günter Traxler, DER STANDARD, 13.7.2012)