Wien -  Der Grüne Abgeordnete Peter Pilz ist empört - und zwar über einen Antrag von SPÖ, ÖVP und BZÖ im Korruptions-Untersuchungsausschuss, dass weitere Aktenlieferungen für die bereits behandelten Untersuchungsgegenstände bis Ende Dezember gestoppt werden sollen. Diesen "Anschlag" habe man abwehren können, er gehe aber davon aus, dass es im Herbst, also nach der Sommerpause, weitere geben werde, etwa über Ladungslisten, meinte er am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.

Grundsätzlich gab sich Pilz zufrieden, der aktuelle sei der "erfolgreichste U-Ausschuss der zumindest letzten 20 Jahre". Man sei jetzt aber möglicherweise "zu erfolgreich". Am gestrigen Mittwoch sei man im Ausschuss drei Minuten vor Ende der Sitzung "vollkommen überrascht" worden von dem besagten Antrag - ein "Anschlag auf die Arbeit des Ausschusses". Zu den bisher abgehandelten Beweisthemen wie Telekom oder Buwog fehlten etwa noch Zeugen wie Ex-Telekom-Vorstand Gernot Schieszler oder Investmentbanker Karlheinz Muhr.

Darin sieht Pilz einen ersten Schritt zum "Abdrehen" des Ausschusses. Für die Grünen ist der gestrige Antrag aber erledigt, weil er nicht einstimmig beschlossen wurde, verwies Pilz auf die Geschäftsordnung. Vorsitzende Gabriela Moser  habe das auch vorher mit dem Verfahrensanwalt und Juristen der Parlamentsdirektion abgesprochen.

SPÖ und BZÖ weisen Vorwürfe zurück

Die Aufregung des Grünen Abgeordneten Peter Pilz nicht verstehen können die Vertreter von SPÖ und BZÖ im U-Ausschuss - die Fraktionen wiesen den Vorwurf am Donnerstag abermals zurück. Die FPÖ bekräftigte indes ihre Kritik.

SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl sprach von einem "normalen Vorgang" und wollte nichts von einem "Abdrehen" wissen. Man könne nicht ununterbrochen mit Akten "zugeschickt" werden zu Themen, die Monate her seien. Die noch anstehenden Untersuchungsgegenstände seien ja nicht betroffen.

Pilz befürchtet auch, dass es bei der Inseratenaffäre im Herbst über die Ladungslisten weitere "Anschläge" geben könnte und etwa Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) nicht geladen wird. "Ich habe das Thema immer sachlich diskutiert und nie eine Show gemacht", reagierte Pendl entspannt. Es sei immer entscheidend, welche Auskunftspersonen aufgrund der Aktenlage notwendig seien. Mit der Ladungsliste für September habe man noch nicht einmal angefangen.

Petzner zu Pilz: Chill dein Leben"

"Beim Kollegen Pilz gesellen sich zur narzisstischen Persönlichkeitsstruktur und gestern aufgetauchten Wahnvorstellungen Symptome eines Verfolgungswahns - das kann man behandeln, dafür gibt's Ärzte, Medikamente und Therapien", schoss BZÖ-Mandatar Stefan Petzner zurück. Man müsse die Kirche im Dorf lassen, der Antrag sei "absolut sachlich gerechtfertigt", betonte Petzner. Es sei doch logisch, dass man zu Themen, bei denen die politische Aufklärung abgeschlossen sei, keine Akten mehr anfordert. Zu den offenen Themen gehe die Aktenlieferung schließlich ganz normal weiter.

Zum Rechtsstreit (ob es Einstimmigkeit für den Antrag gebraucht hätte oder nicht) könne er Pilz nur ausrichten: "Chill dein Leben!" Abermals sprach sich Petzner für eine rechtliche Prüfung durch einen unabhängigen Experten aus. Den Vorwurf, er sei "Mitläufer und Mitwisser" in Bezug auf Korruption, wies Petzner zurück: "Ich glaube, dass ich durch meine Aufklärungsarbeit das haargenaue Gegenteil bewiesen habe", die Bewertung überlasse er den Wählern.

Den Antrag am Mittwoch abgelehnt hatte neben den Grünen auch die FPÖ. Deren Fraktionsführer Walter Rosenkranz bekräftigte am Donnerstag seine Kritik: Die Tatsache, dass Mitglieder des U-Ausschusses sagen, "uns interessiert bis 31. Dezember 2012 nichts, was es an neuen Dokumenten gibt", sei "vom Selbstverständnis des Ausschusses eine Katastrophe". Es könnte sich ja aufgrund der Aktenlage etwas ganz Neues ergeben, argumentierte Rosenkranz. Der Antrag sei ein "politisch vollkommen falsches Signal".

ÖVP versteht Kritik nicht

Auch ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon hat am Donnerstag "die von der neuen blau-grünen Allianz unterstellte vorzeitige Beendigung des Ausschusses" in Abrede gestellt. Gerade das Gegenteil sei mit dem gestrigen Antrag beabsichtigt und auch erzielt worden, der ja nur einen "zeitlich begrenzten Stopp" der Aktenlieferung zu bereits abschließend behandelten Beweisthemen vorsehe. "Der Untersuchungsausschuss soll sich in den weiteren Arbeiten intensiv auf die noch verbleibenden Beweisthemen konzentrieren können", meinte er in einer Aussendung.

Amon widersprach außerdem der rechtlichen Bewertung der Ausschussvorsitzenden Gabriela Moser (Grüne), wonach der Antrag mangels Einstimmigkeitserfordernis nicht angenommen worden sei. Selbst wenn man den Antrag als Änderung des Beweisbeschlusses qualifiziere, reiche eine Zweidrittel-Mehrheit, denn: Im amtlichen Protokoll zum ursprünglichen Beweisbeschluss vom November 2011 sei lediglich die einstimmige Zustimmung festgehalten worden, ohne aber die Anzahl der anwesenden Abgeordneten näher zu spezifizieren. In diesem Fall sehe die Geschäftsordnung vor, dass für eine Änderung dieses Beschlusses nicht dieselbe Stimmenanzahl, sondern eine Zweidrittel-Mehrheit ausreichend wäre. Die erforderliche Mehrheit sei mit elf zu fünf Stimmen jedenfalls gegeben gewesen, ist Amon überzeugt. (APA, 12.7.2012)