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Im Mai 2011 wurde in Graz prominent gegen das Bettelverbot demonstriert: Forum-Stadtpark-Gründer Emil Breisach, Armenpfarrer Wolfgang Pucher, Ökumeniker Philipp Harnoncourt und Völkerrechtsexperte Wolfgang Benedek (v.l.n.r.) unterhalten sich mit einem Polizisten.

Foto: APA/MARKUS LEODOLTER

Salzburg/Wien - Generelle Bettelverbote, die auch das "stille Betteln" - etwa mit einem Schild oder symbolisch mit einem Hut - umfassten, seien verfassungswidrig. Dies stellt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in einer am Mittwoch veröffentlichen "Grundsatzentscheidung zu den Bettelverboten in Österreich" fest. Gesetzliche Bestimmungen, die bestimmte Erscheinungsformen - "aggressives Betteln, Betteln mit Kindern, gewerbsmäßiges Betteln" - unter Strafe stellen, seien hingegen verfassungskonform.

Ausgehend von dieser Erkenntnis hat der VfGH Beschwerden von SPÖ und Grünen gegen die Regelungen der Bundesländer Kärnten und Oberösterreich abgewiesen, da diese kein "absolutes Bettelverbot" enthielten.

Verstoß gegen Menschenrechtskonvention

Aufgehoben haben die Verfassungsrichter hingegen das aus dem Jahr 1979 stammende Salzburger Gesetz, gegen das ein slowakischer Staatsbürger Beschwerde erhoben hatte. Dieses widerspreche dem Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Freiheit der Meinungsäußerung). Das stille Betteln ausnahmslos zu verbieten "ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig", hält der VfGH fest.

Zudem sei ein generelles Verbot sachlich nicht zu rechtfertigen, da der Gesetzgeber "an öffentlichen Orten eine Reihe anderer Nutzungsformen toleriert, bei denen Menschen etwa mit dem Ziel angesprochen werden, eine Spende für gemeinnützige Zwecke zu geben."

Keine Reparaturfrist für Salzburg

Die Aufhebung gilt ab Kundmachung im Landesgesetzblatt und habe "unverzüglich" zu erfolgen, verlangt der VfGH. Damit werde es in Salzburg bis zur nächsten Landtagssitzung im Oktober keine gesetzliche Bestimmung geben, beklagt Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) in einer ersten Reaktion, da der VfGH den Salzburgern keine Reparaturfrist eingeräumt hat.

Burgstaller will aber so rasch als möglich eine verfassungskonforme Regelung beschließen lassen. Diese solle zwischen "aggressiver, organisierter Form des Bettelns und dem althergebrachten Betteln aus einer akuten Notsituation" unterscheiden.

Armenpfarrer erfreut

Positiv kommentiert der Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher von der Vinzenzgemeinschaft die Entscheidung des VfGH. Pucher hofft, dass auch das allgemeine Bettelverbot in der Steiermark aufgehoben wird.

Die Verfassungsrichter wollen im September ihre Entscheidungen zu Beschwerden gegen die Bettelverbote in Wien und der Steiermark bekanntgeben. (Thomas Neuhold, DER STANDARD, 12.7.2012)