Die Kunst der Gesprächsführung: ein heikles Geschäft. Wortfluss, Zwischenfragen, Distanz wahren und trotzdem in sein Gegenüber gedanklich vordringen: Andrea Eckert, Gastgeberin des "Salons am Dienstag" auf Servus TV, hält sämtliche Regeln ein - und geht dennoch unter.

Rund um sie und ihre Gesprächspartner ist nämlich einiges los, was für gewisse Aufmerksamkeitsdefizite hinsichtlich der Inhalte sorgt. Im Hintergrund klimpert das Klavier, plaudern Gäste, schauen zu und weg, betritt ein Kellner den Raum, schaut, dreht sich um und geht wieder weg. Der Zuschauer, fasziniert von dieser Darbietung bürgerlichgesellschaftlichen Getues, ist gezwungen, nicht mehr dem Gespräch zu folgen, sondern dem, was hier noch passiert.

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Weniger gesittet, dafür umso fordernder geht es im Salon von Annica Hansen zu. Die Talkerin versucht sich ebenfalls in einer neuen Form der Gesprächsführung. Die guten Sitten spielen auch eine Rolle, allerdings nur insofern, als es darum geht, selbige zu brechen. Sat.1, nach dem Abgang von Fernsehrichterin Barbara Salesch in eine Norm- und Sinnkrise gefallen, probiert seit Montag mit Drehbuch aus, was noch vor 15 Jahren von selbst funktionierte: Trashtalk zur Mittagszeit.

Man kann sich vorstellen, dass die Drehbuchautoren mächtig Spaß haben, wenn sie sich Geschichten zu folgenden Titeln ausdenken: "Sexy Hexy - ein Festival der Liebe", "Wahnsinn - ich bin so heiß wie ein Vulkan!", " Abgefahren - diese Liebe ist ein seltsames Spiel" und "Schön ist es auf der Welt zu sein - Ich steh zu meinem Aussehen". Anders als im Salon bedarf es äußerlich keiner Inszenierung: Es schreit sich praktisch ganz von selbst. (Doris Priesching, DER STANDARD, 12.7.2012)

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