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Bauprojekte auf Mallorca: Umweltschützer, Gewerkschafter und Bürgerinitiativen versuchen die letzten unberührten Küstenabschnitte zu retten.

Foto: REUTERS/Enrique Calvo

Madrid - Spaniens konservative Regierung unter Mariano Rajoy setzt einmal mehr auf die Bauwirtschaft als Motor für künftiges Wachstum. Eine Reform des Gesetzes zum Schutz der Küste soll Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung verbinden. Wie das aussehen soll, zeigen erste Initiativen in von Rajoys Volkspartei (PP) regierten Regionen und Gemeinden. An einigen der ökologisch wertvollsten Punkten der spanischen Küste sollen neue Bettenburgen, Tennis- und Golfplätze entstehen.

Proteste regen sich auf Mallorca und in Andalusien. Eine Plattform unter dem Namen "Nicht mit unserer Küste" hat mittlerweile knapp mehr als 170 Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften und Bürgerinitiativen vereint. Zehntausende von Bürgern haben Online-Petitionen unterzeichnet, die einen effektiveren Schutz der letzten noch naturbelassenen Strände fordern.

"Privatisierung des öffentlichen Raumes"

"In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat unsere Küste täglich eine Fläche von acht Fußballfeldern verloren", erklärt der Sprecher der Plattform und spanische Greenpeace-Präsident, Mario Rodríguez. Eine Aufweichung des Küstenschutzes käme einer "Privatisierung des öffentlichen Raumes gleich", fügt er hinzu. Die Regierung sieht unter anderem vor, dass die Verantwortung für den Schutz der ersten 100 Meter, die als öffentlich zugänglich gelten, den Besitzern der anliegenden Grundstücke übertragen wird. Außerdem sollen Zehntausende illegal gebauter Appartements und Tourismuseinrichtungen amnestiert werden.

"Die Regierung setzt erneut auf ein Modell, das unsere Wirtschaft ruiniert hat", beschwert sich auch Margarita Ramis, Sprecherin der Umweltschutzorganisation GOB auf den Balearen. Dort ist die Politik schon einen Schritt weiter. Die konservative Inselregierung Mallorcas hat im Eilverfahren einen Tourismuskomplex am Strande von Sa Ràpita - Es Trenc genehmigt.

Die 1200-Betten-Anlage mit ihren Golf- und Freizeitgelände soll mitten in der Dünenlandschaft des im Süden der Insel gelegenen unter Naturschutz stehenden Strandes entstehen. Allein der geplante Golfplatz würde so viel Wasser verbrauchen wie ein Dorf mit 4000 Einwohnern. In der Gegend um Sa Ràpita regnet es kaum. Ein Komplex dieser Größe würde deshalb auch die benachbarten Feuchtgebiete gefährden, befürchten die Umweltschützer.

"Von hohem Interesse"

"Die Inselregierung hat die Pläne zu einem Projekt von regionalem Interesse erklärt und damit das Genehmigungsverfahren vereinfacht", erklärt Ramis. Ein neues regionales Tourismusgesetz soll solche Eilverfahren zum Normalfall werden lassen. Es sieht vor, dass die Regierung am Parlament vorbei Bauprojekte den Status "von hohem Interesse für die regionale Wirtschaft" geben kann. "Alle Kontrollmechanismen werden so ausgeschaltet", beschwert sich Ramis und verweist darauf, dass dies erneut die Baukorruption, unter der die Balearen seit Jahrzehnten leiden, anfachen könne.

Auch im südspanischen Tarifa setzen die konservativen Lokalpolitiker auf Backsteine, um die Wirtschaft anzukurbeln. An dem unter Surfern weltweit bekannten und beliebten Strand Valdevaqueros sollen Hotels mit 1400 Betten und 350 Wohnungen entstehen. Auch hier würde damit eine der letzten noch erhaltenen Dünenlandschaften an der südspanischen Atlantikküste der Bauwut zum Opfer fallen. Der fragliche Strand gehört zu einem Unesco-Biosphärenreservat und grenzt an zwei Naturschutzgebiete.

Für die Umweltschützer zieht das wirtschaftliche Argument nicht. Naturbelassene Strände zögen mehr Touristen an, rechnet die Plattform "Nicht mit unserer Küste" vor und stützt sich dabei auf eine Studie des mittlerweile aufgelösten Madrider Umweltschutzministeriums. Von Einkünften in Höhe von zehn Prozent des BIPs durch nachhaltigen Tourismus ist da die Rede. "Schon bald werden wir nicht mehr mit anderen Mittelmeerländern in Wettbewerb treten können. Die haben dann noch naturbelassene Strände, wir nicht", sagt Rodríguez. Die Marketingkampagne von Kroatien unter dem Motto "Das Mittelmeer, wie es einmal war" macht deutlich, wovon der Greenpeace-Mann spricht. (Reiner Wandler, DER STANDARD, 12.7.2012)