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Brandl (li.) und ihre Partnerin Livia Lang: "Man muss eigentlich ihr Spiegelbild abgeben können."

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"Livia und ich kommen mit dem Becken in London sehr gut zurecht. Dort fühlen sich die Arme nicht wie zwei Streichhölzer an."

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"Bei der Kür verbringen wir zwei Drittel der Zeit unter Wasser. Die Luft wird knapp, der Körper schwer."

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Synchron unter dem Haartrockner: "Uns verbindet neben dem Sport eine Freundschaft. Bei anderen Duetten läuft es nicht immer harmonisch ab, das kriegt man mit."

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Wien - Die Großmutter war erfolgreiche Wasserspringerin, Tante Alexandra Worisch Europameisterin im Synchronschwimmen. Am Becken führte für Nadine Brandl also kein Weg vorbei. Mit ihren 22 Jahren fährt die Wienerin bereits zum zweiten Mal zu Olympischen Spielen, diesmal mit Partnerin Livia Lang im Duett. Zuvor sprach sie noch mit derStandard.at.

derStandard.at: Wie würden Sie einem Ahnungslosen die Faszination Synchronschwimmen erklären?

Brandl: Ich würde ihn ins Bad mitnehmen, zusehen lassen und nebenbei erklären. Die Faszination ist vielseitig, man muss aber vor allem eine extreme Körperbeherrschung haben. Wenn es heißt, das Bein muss rüber zum Ohr, dann muss es eben bis zum Ohr. 

derStandard.at: Und geht es wirklich bis zum Ohr?

Brandl: Man arbeitet jeden Tag daran, seinen Körper zu kontrollieren. Es ist unglaublich, in welchem Ausmaß das möglich ist. Es reicht aber nicht, beweglich zu sein. Man braucht Koordination, Schnelligkeit, Kraft und Ausdauer. Kopfüber sollte man sich auch noch auskennen.

derStandard.at: Und die Partnerin darf man dabei nicht vergessen.

Brandl: Man muss eigentlich ihr Spiegelbild abgeben können.

derStandard.at: Wie gestaltet sich die Beziehung zur Ihrem "Spiegelbild" Livia Lang?

Brandl: Uns verbindet neben dem Sport eine Freundschaft. Das hilft bestimmt, ist aber nicht zwingend notwendig. Bei anderen Duetten läuft es nicht immer harmonisch ab, das kriegt man mit.

derStandard.at: Ihre olympische Premiere feierten Sie bereits 2008. Welche Erinnerung hat Sie am meisten geprägt?

Brandl: Die ersten Tage im Dorf waren der Wahnsinn, es liegt eine besondere Stimmung in der Luft. Man kann das Flair nicht in Worte fassen, jeder Begriff würde es nur schmälern. Es fühlt sich groß und gigantisch an. Die Energie ist zum Greifen nahe.

derStandard.at: Wie sehen Ihre letzten Tage vor den Spielen aus?

Brandl: Nachdem wir vom Bürgermeister verabschiedet werden, verabschieden wir uns für zehn Tage ins Trainingslager nach Kroatien. Davor gibt es noch die offizielle Einkleidung und den Empfang beim Bundespräsidenten. Ein Pflichtprogramm also, auf das ich mich allerdings freue.

derStandard.at: Wie wichtig ist Ihnen die Eröffnung der Spiele?

Brandl: Ich will diesmal unbedingt dabei sein, deswegen fliegen wir bereits am 27. Juli nach London. In Peking habe ich die Zeremonie leider verpasst, da ich erst in der zweiten Woche zum Wettkampf antrete.

derStandard.at: Und wie lauten Ihre Ziele für den Bewerb?

Brandl: Realistisch ist eine Platzierung unter den Top 20, herausragend wäre ein 18. Platz. Unser ideologisches Ziel ist es aber primär, an den Wettkampftagen unsere bestmögliche Leistungen abzurufen. Das klingt vielleicht ein bisschen simpel, ist aber alles andere als einfach.

derStandard.at: Inwiefern?

Brandl: Wie die Konkurrenz schwimmt, können wir nicht beeinflussen, unser Handlungsspielraum beschränkt sich darauf, wie wir schwimmen. Um an diesem einen Tag seine bestmögliche Leistung abzurufen, muss man die Erfahrung des gesamten sportlichen Lebenslaufes abrufen.

derStandard.at: Sie haben sich im Londoner Aquatics Centre für die Spiele qualifiziert. Dort wird auch über die Medaillen entschieden. Welche Erkenntnisse konnten Sie von dieser Generalprobe mitnehmen?

Brandl: Es war wichtig, die Wasserqualität und das Wassergefühl kennenzulernen. In manchen Becken fühlt sich das Wasser härter an, in anderen weicher.

derStandard.at: Ihr Gesprächspartner steht etwas auf der Leitung. Wasser ist nicht gleich Wasser?

Brandl: Man braucht den Griff im Wasser. Livia und ich kommen mit dem Becken in London sehr gut zurecht. Dort fühlen sich die Arme nicht wie zwei Streichhölzer an, man sinkt nicht gleich ab. Wer täglich im Wasser ist, merkt diese Unterschiede.

derStandard.at: Bei der EM sind Sie solo zu einem Song von Christina Aguilera geschwommen. Nach welchen Kriterien erfolgt die Musikauswahl für Olympia?

Brandl: Man überlegt sich ein Thema. Wir haben "Mitternacht und Geisterstunde" gewählt und schwimmen zu einem Remix von "Night on Bald Mountain" von Mussorgsky. Es hört sich recht düster an, am Anfang gibt es zwölf Glockenschläge, dann geht eine Tür quietschend auf, man hört Schritte und Werwolfsgeheul.

derStandard.at: Wie darf man sich die Umsetzung zu Wasser vorstellen?

Brandl: Das Thema spiegelt sich in der Choreografie, also in den Bewegungen und der Mimik, wider. Der Badeanzug ist auch angepasst, hinten ein Werwolf und der Mond, vorne eine Fledermaus. Wir lächeln nicht immer.

derStandard.at: Dabei wollte ich gerade fragen, wie Sie dieses andauernde Lächeln hinkriegen.

Brandl: Das Lächeln ist nur wichtig, wenn es die Choreografie unterstützt. Für den Zuschauer ist es aber vielleicht besser, ein Lächeln zu sehen, als jemanden, der vor Schmerz und Leid das Gesicht verzieht.

derStandard.at: Ein leidiges Thema sind ja die Punkterichter. Wann haben Sie sich zuletzt richtig über eine Beurteilung geärgert?

Brandl: Das weiß ich gar nicht genau. Aber damit muss man in dieser Sportart einfach leben können. Das sind ja auch nur Menschen, da spielt einfach eine gewisse Subjektivität mit. Eine Choreografie gefällt vielleicht der einen Person, muss deshalb aber nicht der anderen gefallen.

derStandard.at: Sie wollen Ihr Können noch besser präsentieren. Was heißt das konkret?

Brandl: Einerseits müssen wir die Choreografie an unsere Stärken anpassen. Andererseits heißt es auch, mit einem gewissen Selbstvertrauen aufzutreten. Es ist auch nicht immer einfach, sich vor tausenden Leuten im Badeanzug zu präsentieren. Bei der Kür verbringen wir zwei Drittel der Zeit unter Wasser. Die Luft wird knapp, der Körper schwer. Und trotzdem dürfen die Bewegungen nicht kürzer werden. Daran müssen wir arbeiten.

derStandard.at: Und trotz dieser Strapazen wird Ihre Sportart mitunter belächelt. Warum?

Brandl: Vielleicht haben sich diejenigen, die nur Esther Williams am Rücken baden sahen, ein falsches Bild gemacht. Wenn man sich aber über den Sport und das Trainingsausmaß informiert, wird man Synchronschwimmen sehr schnell ernst nehmen.

derStandard.at: Wie reagieren die Menschen, wenn Sie Ihnen mitteilen, dass Sie Synchronschwimmerin sind?

Brandl: Die meisten sagen, sie kennen sich damit nicht aus. Man erfährt, dass die Sportart doch noch sehr unbekannt ist.

derStandard.at: Und eine der wenigen ohne männliches Pendant. Warum eigentlich?

Brandl: Synchronschwimmen war ursprünglich ein Männersport. Es gibt auch vereinzelt Herren, Bill May zum Beispiel. Sie sind aber zu wenige, um einen Wettkampf auf professionellem Niveau zu starten.

derStandard.at: Wo zeigt Ihnen der Sport Grenzen auf?

Brandl: Es gibt Mädels, die können ohne Nasenklammer schwimmen. Die tauchen unter, ziehen eine Schnute und schließen die Nasenlöcher mit der Oberlippe. Das schaffe ich leider nicht.

derStandard.at: Und ohne Klammer sieht man an der Wasseroberfläche einfach besser aus!

Brandl: (lacht) Nein, dadurch bekommt man einfach besser Luft. (Daniel Koller/Philip Bauer, derStandard.at, 11.7.2012)