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Der Weg aus der Eurozone wird für Griechenland schmerzhaft. (Bild: Wahlkampf in Athen im Juni)

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Roger Bootle

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STANDARD: Die jüngsten Eurogipfel haben Fortschritte bei der Schaffung einer Bankenunion gebracht. Eine gute Entwicklung?

Roger Bootle: Wir werden innerhalb von Tagen oder Wochen wieder enttäuscht werden, denn vieles ist sehr vage geblieben. Dazu kommt, dass Europa ein zentrales Thema nicht angeht: den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in der Europeripherie. Der verbaut jede Chance auf vernünftige Wachstumsaussichten. Doch ohne Wachstum werden die Schulden dieser Staaten einfach weiter in den Himmel wachsen.

STANDARD: Sie haben mit dem Text "Praktische Anleitung zum Euro-Austritt" den Wolfson Economics Prize gewonnen. Ihr Rezept für Länder wie Griechenland ist der Euroaustritt, kombiniert mit der Abwertung der Währung und einer weitreichenden Umschuldung.

Bootle: Das ist unsere Sicht. Ich glaube aber nicht, dass die Abwertung die Antwort auf alle Probleme ist. Die Probleme in vielen Ländern sind real. Sie betreffen die Arbeitsproduktivität, die Nutzung von Kapital und die Frage, ob die produzierten Produkte auch eine gute Qualität haben. In einem Land wie Deutschland funktionieren diese Dinge sehr gut. Es ist schwierig, vielleicht sogar unmöglich, Mängel in der realen Welt mit monetären Tricks wie einer Abwertung zu verbessern. Man kann Griechenland nicht einfach in Deutschland verwandeln.

STANDARD: Also hilft die Abwertung doch nicht?

Bootle: Doch, bei einer Schieflage der Preise und Kosten. Man müsste die Kosten in Italien und Griechenland um 30 bis 40 Prozent absenken, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Das ist mit einer realen Anpassung unmöglich zu schaffen. Wenn Griechenland seine Produktivität um ein halbes Prozent schneller erhöht als Deutschland, und selbst das wäre ein Wunder, würde es 60 bis 80 Jahre dauern, um die Kostendifferenzen abzubauen. Wir haben aber keine 60 Jahre. Ein Euroaustritt ist die einzig plausible Lösung.

STANDARD: Aber eine drastische Abwertung ist mit hohen Risiken verbunden, etwa Hyperinflation.

Bootle: Kurzfristig wird dieser Weg wohl noch schmerzhafter sein als der Verbleib in der Eurozone, weil die Kosten für importierte Güter nach einer Abwertung drastisch steigen und die Lebensstandards deutlich unter Druck geraten werden. Doch der Unterschied ist, dass es dann Hoffnung gibt. Griechische Exporte werden steigen, die Importe fallen. Die Nachfrage nach griechischen Arbeitskräften wird also wieder steigen. Doch die Abwertung ist keine Einbahnstraße.

Die Griechen können nicht den Euro verlassen, ihre Drachme abwerten und dann weitermachen wie bisher. Sie müssen sich rasch entschulden und produktiver werden. Wenn dieser Prozess nicht gut bewältigt wird, wird das Land im Chaos versinken. Am Ende könnte aus Griechenland ein zweites Simbabwe werden. Aber eine Reihe von Ländern haben es geschafft - selbst ein Land, das so schlecht verwaltet wird wie Argentinien 2002.

STANDARD: Aber hinkt der Vergleich mit Argentinien nicht? Schließlich brummte ab 2002 die Weltkonjunktur, heute liegt sie danieder.

Bootle: Der Vorteil ist, dass Griechenland eine recht kleine Volkswirtschaft ist. Wie bei kleinen Unternehmen ist es daher möglich, Nischen zu finden und den Marktanteil aufzustocken. Es ist wirtschaftlich rational für Griechenland, den Euro zu verlassen.

STANDARD: Und für größere Länder, wie Spanien oder Italien?

Bootle: In Spanien und Italien ist die Position bei weitem nicht so schlecht wie in Griechenland, aber auch dort ist sie ziemlich problematisch. Das Fehlen von Wachstum, die schwache Wettbewerbsposition und in Spanien die Bankenprobleme wiegen schwer. Man muss wieder Wachstum in der Peripherie schaffen. Wenn Europa sich nicht am Riemen reißt, drohen die verlorenen Dekaden, die auch Japan erlebt hat.

STANDARD: Was werden Sie mit dem Preisgeld für den Wolfson Economics Prize machen?

Bootle: Ich erhalte es ja nicht persönlich. Ich werde es in das Unternehmen investieren, wir haben 90 Leute, Büros in London, Toronto, Singapur. Meinen persönlichen Anteil am Gewinn werde ich in eine großzügige Party für die Mitarbeiter investieren. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 11.7.2012)