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Ehemals Übersetzer für die UN, Hasan Nuhanovic.

Foto: EPA/VALERIE KUYPERS

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Ein Foto von Vater, Mutter und Bruder Hasan Nuhanovics. Ihre Überreste wurden in Massengräbern gefunden.

Foto: AP/dapd/File

Srebrenica - Als Übersetzer wurde er von den UN-Soldaten aufgefordert, seine Eltern und seinen Bruder aus dem sicheren UN-Lager wegzuschicken. Draußen standen die bosnisch-serbischen Truppen unter dem damaligen General Ratko Mladic, die die muslimische Enklave Srebrenica gerade eingenommen hatten. Hasan Nuhanovic bettelte, dass seine Familie mit den abziehenden Blauhelmen mitfahren könne, die eigentlich den Auftrag hatten, die Bevölkerung zu schützen. "Du weißt doch, dass wir so viel Gepäck haben, da ist kein Platz mehr im Auto für deinen Bruder", sagte ein Soldat zu ihm.

Hasan Nuhanovic hat seine Familie nie mehr gesehen. In den Tagen nach dem 12. Juli 1995 wurden etwa 8000 bosnische Muslime, nachdem das niederländische Bataillon ("Dutchbat") aus der "UN-Schutzzone" abgezogen war, von den Truppen Mladics ermordet. Vor neun Jahren hat Nuhanovic einen Prozess gegen die Niederlande angestrengt. Vor einem Jahr wurde der niederländische Staat verurteilt, weil das Dutchbat Nuhanovics Familie an die bosnisch-serbischen Truppen ausgeliefert hatte. Die Niederlande kündigten Ende Juni an, vor dem Obersten Gericht gegen das Urteil zu berufen. Die Uno trage die Verantwortung, nicht die Niederlande, so das Argument. Rechtlich ist es aber nicht möglich, die Uno zur Verantwortung zu ziehen.

Gerechtigkeit

"Ich habe bereits neun Jahre vor Gericht gekämpft. Das ist eine Fortsetzung eines Albtraums", sagt Nuhanovic, der auch "Elie Wiesel von Bosnien" genannt wird. Demütigungen sei er bereits gewohnt. "Der niederländische Staat hat ja sogar geleugnet, dass mein Vater, meine Mutter und mein Bruder aus dem Lager hinausgeschickt wurden", sagt der heute 44-Jährige. In ein bis zwei Jahren könnte ein Urteil des Obersten Gerichts erfolgen. "Jeder Mensch sucht nach Gerechtigkeit. Es ist in unseren Genen", sagt Nuhanovic.

Bisher blieben die Angehörigen der Opfer ohne Kompensation, Gerichtsurteile blieben ohne Sanktionen. So urteilte der Internationale Gerichtshof (IGH) 2007, dass Serbien, das die bosnisch-serbischen Truppen unter Mladic unterstützt hatte, lediglich dafür verantwortlich sei, den Völkermord nicht verhindert zu haben.

Verantwortung

"Das war ein guter Trick von Westeuropa und den USA, das Level ihrer Verantwortung nach unten zu setzen. Denn wenn Serbien nur schuld daran ist, dass es den Genozid nicht verhindert hat, dann ist niemand dafür verantwortlich, den Genozid begangen zu haben. Und die EU und die USA sind dann also für gar nichts verantwortlich", sagt Nuhanovic.

Man hätte die Verantwortung eine Stufe höher heben müssen: Die USA und die EU seien dafür verantwortlich, den Genozid nicht verhindert zu haben, so Nuhanovic zum Standard. Insgesamt hätten sogar mehr als 200 Staaten die UN-Konvention zur Prävention von Völkermord unterschrieben. " Was ist zum Beispiel mit Österreich? Österreich ist nur 300 Kilometer von Bihac entfernt." Serbien hingegen sollte für die Verübung des Völkermords verantwortlich gemacht werden.

Mladic und der Exführer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, stehen wegen Srebrenica vor Gericht. In dem bosnischen Landesteil Republika Srpska (RS), in dem Srebrenica liegt, wird der Völkermord aber oftmals geleugnet. Als kürzlich die Anklage gegen Karadzic modifiziert wurde, meinte der Präsident der RS, Milorad Dodik, dies würde bestätigen "dass es hier keinen Genozid gab". Nuhanovic findet es frustrierend, in einem Land mit diesem Präsidenten zu leben. "Es ist erschreckend, dass diese Botschaft an die serbische Bevölkerung geht und die das glaubt. Es ist sehr gefährlich, wenn Führungsfiguren Völkermord leugnen."

Serbischer Bürgermeister

In Srebrenica könnte es nach den Lokalwahlen im Herbst keinen bosniakischen Bürgermeister mehr geben. Seit dem Krieg galt eine Ausnahmeregelung im Wahlgesetz, wonach auch geflohene Muslime in ihrer Heimatstadt wählen konnten. Dodik kündigte nun an, die bosnisch-serbischen Parteien würden dafür sorgen, dass Srebrenica dieses Mal einen Serben als Bürgermeister erhalte. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 11.7.2012)