Brüssel - Der österreichische Notenbankgouverneur und EZB-Rat Ewald Nowotny warnt vor einer "halben Lösung" bei der geplanten europäischen einheitlichen Bankenaufsicht. Der vorgesehene Zeitraum bis Jahresende sei "sehr knapp", aber ambitioniert. Von Bedeutung sei dies ja auch, weil von der Umsetzung dieser europäischen Bankenaufsicht auch die direkte Bankenfinanzierung durch den künftigen Euro-Rettungsschirm ESM abhänge. "Das kann natürlich erst danach erfolgen", so Nowotny in Brüssel.

Jedenfalls "darf man sich hier keine Blöße geben, sonst bekommt man Reputationsprobleme". Wesentlich sei auch "massiv zusätzliches Personal" für eine solche Bankenaufsicht. Die ÖNB habe zwar ihr Personal reduziert, aber nicht im Bereich der Aufsicht, aber bei der Aufsicht massiv ausgebaut. "Hier darf man keine halben Lösungen machen. Lieber ein bisschen später und dann voll einsatzfähig", so Nowotny.

Zahlreiche offene Fragen

Allerdings seien zahlreiche Fragen noch offen. So gehe es um die Zahl der EU-Staaten, die sich daran beteiligten. "Geht es um 27 oder die 17 Euroländer, oder wird es eine Zwischenlösung mit Euro-plus geben. Das muss noch geklärt werden". Eine 27-er Lösung sei aber unwahrscheinlich, weil "die Erfahrung zeigt, dass es offenbar immer schwierig ist, Großbritannien in eine gemeinsame Aufsicht einzubinden". Außerdem sei klarzustellen, wie viele Banken erfasst seien. Man könnte versuchen, eine permanente Prüfung der europäischen Banken auf größter Ebene vorzunehmen, aber das System auch breit für mittlere und kleinere Banken handhaben. Denn es habe sich gezeigt, dass auch kleinere und mittlere Institute Probleme haben.

Dass es wieder eine zahnlose Lösung werde, hofft Nowotny nicht. Es könnten auch "Zwischenschritte" erfolgen. "Überladen" sollte die Regelung aber auch nicht werden. "Wir müssen unterscheiden zwischen einer Bankenaufsicht in voller Schönheit und gewissen Vorgriffen". Österreichs Haltung sei eine prinzipiell positive, sowohl von der Notenbank als auch von der Regierung. "Wir hätten keine gravierenden Probleme für die Integration in ein solches System, beide Aufsichtsorgane - Notenbankaufsicht und Finanzmarktaufsicht - könnten gemeinsam agieren."

Langfristig gehörten zur europäischen Bankenaufsicht natürlich auch die Einlagensicherung und der Abwicklungsmechanismus. Diese von der Kommission vorgeschlagene Dreier-Lösung sei aber im EU-Gipfelentwurf nicht mehr enthalten gewesen. "Die beiden anderen Elemente sind sehr stark verknüpft mit dem größeren Thema der Finanzunion. Das braucht sicher noch Zeit.

EZB-Zinssenkung "nicht unterschätzen"

Nowotny will darüberhinaus die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) auf 0,75 Prozent "nicht unterschätzen". Diese Leitzinssenkung "wird sich auf die Kreditverträge mit variabler Verzinsung" auswirken und zu einer Ratensenkung führen.

Nowotny erklärte am Dienstag in Brüssel, insgesamt gebe es ein Volumen von 1.000 Milliarden Euro solcher variabel verzinster Kreditverträge. "Gerade für Österreich spielt das eine besonders große Rolle. Im Bereich der Unternehmenskredite sind das 80 Prozent, bei den Privatkrediten über zwei Drittel". Der Effekt der Leitzinssenkung werde "nicht sofort wirksam, aber nach einer gewissen Zeitspanne".

Nowotny verwies gleichzeitig auf die generell pessimistischen Auswirkungen der Eurozone auf das Wachstum für 2012. Die OeNB habe zuletzt ihre Revision aber leicht hinaufgesetzt, mit 0,9 Prozent für das laufende Jahr. "Aber unter erheblichen Unsicherheiten." Generell gehe in der Eurozone die Binnennachfrage zurück. Die Hoffnung, dass es eine Kompensation durch erhöhte Exporte gebe, dürfte sich eher nicht erfüllen. "In etlichen Staaten gibt es durch die Konsolidierungswelle einen Rückgang der Binnennachfrage. Dies sei auch der Grund für die pessimistische Wachstumsprognose der Wirtschaft. (APA, 10.7.2012)