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Im ägyptischen Parlament tut sich wieder etwas.

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Kairo - In Ägypten sucht das Parlament die offene Machtprobe mit dem Militär: Trotz der angeordneten Auflösung kamen die dominierenden islamistischen Abgeordneten am Dienstag zu einer Sitzung zusammen. Das Staatsfernsehen übertrug die Eröffnungsrede von Parlamentspräsident Saad al-Katatni. Offen blieb, wie das Militär auf die Provokation reagieren wollte. Wie der neue Präsident Mohammed Mursi stammt auch Katatni von der einflussreichen Muslimbruderschaft.

Der Machtkampf zwischen dem Militär und dem Lager der gemäßigten Islamisten hatte sich zuletzt verschärft. So hatte Mursi am Wochenende erklärt, dass die Parlamentarier bis zu Neuwahlen wieder zusammenkommen sollten. Damit griff er die Autorität der Militärführung an, die seit dem Sturz von Langzeit-Präsident Hosni Mubarak im Vorjahr die Zügel der Macht in der Hand hält und nach einer Entscheidung der noch unter Mubarak bestellten Verfassungsrichter noch vor Mursis Wahl die Auflösung der neuen Volksvertretung angeordnet hatte.

Am Montag erklärte das Verfassungsgericht Mursis Dekret zur Wiedereinsetzung des Parlaments dann für ungültig und warnte den neuen Präsidenten, dass niemand über der Verfassung stehe. Der Gerichtshof hätte noch am Dienstag über mehrere Klagen gegen Mursis Vorgehen entscheiden sollen, verschob dies jedoch auf den 17. Juli.

Abgeordnete: Revisionsgericht soll entscheiden

Die Parlamentarier riefen bei ihrer Sitzung das Revisionsgericht auf, über Neuwahlen zu entscheiden. Die Abgeordneten folgten damit einem entsprechenden Vorschlag von Parlamentspräsident Katatni. Die Parlamentarier aus dem linken und liberalen Spektrum blieben der Sitzung fern.

Ägyptische Kommentatoren und Politiker hatte den Muslimbrüdern in den vergangenen Tagen vorgeworfen, sie respektierten die Justiz und das Prinzip der staatlichen Gewaltenteilung nicht. Katatni betonte deshalb: Das Parlament respektiere das Urteil des Verfassungsgerichts. Es sei nur der Auffassung, dass es die Aufgabe des Revisionsgerichts sei, darüber zu entscheiden, wie dieses Urteil umgesetzt werden solle. "Das Parlament kennt sehr genau seine Rechte und Pflichten", sagte Katatni. "Ich betone, dass wir nicht im Widerspruch zu diesem Urteil stehen." Nach weniger als einer halben Stunde hob Katatni die Sitzung wieder auf, ohne einen Termin für die nächste Sitzung festzulegen.

Westerwelle mit mahnenden Worten

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle rief die Ägypter auf, den Demokratisierungsprozess in ihrem Land fortzusetzen. "Deutschland ist auf dem Weg zur Demokratie ein Partner des ägyptischen Volkes", sagte er nach einem Treffen mit Mursi in Kairo. Er gehe davon aus, dass sich der neue Präsident für Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Pluralität einsetzen werde. Westerwelle lud Mursi im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Deutschland ein. Die Einladung sei angenommen worden, sagte er. Der FDP-Politiker ist der erste westliche Außenminister, der Ägypten seit der Präsidentenwahl Mitte Juni besucht.

Im Deutschlandfunk hatte Westerwelle zuvor angesichts des Machtkampfs vor einem "Demokratievakuum" gewarnt. Eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in Ägypten hänge vor allem von neuen Investitionen ab, sagte Westerwelle. Deutsche Unternehmen hätten großes Interesse, in dem Land zu investieren. "Aber dafür braucht es demokratisch stabile Verhältnisse." Westerwelle zeigte sich zuversichtlich, dass eine Lösung des Konflikts möglich ist. Mursi habe erneut klar gemacht, dass er nicht die Entscheidung des Gerichts infrage stelle, sondern dass es um die Umsetzung des Urteils gehe.

Zuvor hatte schon US-Außenministerin Hillary Clinton gewarnt, dass Ägypten die Errungenschaften des Arabischen Frühlings nicht aufs Spiel setzen dürfe und die Demokratisierung vorantreiben müsse. Die USA stünden in Kontakt mit der ägyptischen Führung, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Tommy Vietor, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Es sei jedoch Aufgabe der Ägypter, unter Wahrung demokratischer Prinzipien und der Rechte aller Ägypter transparente Entscheidungen zu treffen. (APA, 10.7.2012)