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Eine Konferenz der Internationalen Fernmeldeunion (ITU)könnte den freien Informationsfluss im Internet gefährden.

Die ITU, eine UN-Sonderorganisation mit 191 Mitgliedsstaaten, geht auf den bereits 1865 gegründeten Internationalen Telegrafenverein zurück. Sie koordiniert und registriert Frequenzen weltweit. Die Internet Society (ISOC) nimmt als angeschlossenes Mitglied ohne Mitspracherecht an ihren Verhandlungen teil. Experten bezweifeln, ob Netzinfrastruktur-Regeln überhaupt Angelegenheit der ITU sein sollen, da sich das dezentrale Versenden von Daten grundsätzlich von Telefonie unterscheidet.

Foto: dapd

"Internetnutzer sind nicht mehr bereit, das hinzunehmen, was Regierungen hinter verschlossenen Türen aushandeln und ihnen vorsetzen", sagt Markus Kummer, Vizepräsident der Internet Society (ISOC), die mit einer Vielzahl von Teilorganisationen für die Weiterentwicklung des Internets sorgt. Zuletzt zeugte das Scheitern von Acta vom neuen Selbstbewusstsein der Nutzer.

Mehr Autorität über Informationsflüsse

Staaten, die eine striktere Kontrolle von Netzinhalten anstreben, wollen die zu Jahresende in Dubai stattfindende Weltkonferenz der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) nutzen, um mehr Autorität über die Informationsflüsse im Internet zu erlangen.

Dort soll nämlich eine Neufassung der Internationalen Telekommunikationsregulierungen ausgehandelt werden. Das geltende Gesetz aus dem Jahr 1988 habe einen wichtigen Beitrag zur Liberalisierung der Telekommunikation geleistet, erklärt Kummer. In Dubai erwartet der Diplomat "jede Menge Vorschläge, die zu mehr Regulierung führen würden".

Vorschläge nicht öffentlich

Offenbar um frühzeitige Störungen des Meinungsbildungsprozesses hintanzuhalten, sollten die von den Mitgliedsstaaten der Uno-Sonderorganisation eingebrachten Vorschläge für die Konferenz nicht veröffentlicht werden. Daraus wurde nichts, denn Aktivisten gründeten die Website WCITLeaks.org, auf der Dokumente anonym upgeloadet werden können.

Zensurgefahr

Bei einigen Initiativen geht es um mehr technische Sicherheit. Andere haben aber offenbar auch das Ziel, missliebige Meinungen und Kampagnen fernzuhalten. So etwa schlägt Russland Ausnahmen für den ungehinderten Zugang zur Telekominfrastruktur vor - für Fälle, in denen der Zugang der Absicht dient, "sich in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen sowie die Souveränität, nationale Sicherheit, territoriale Integrität und öffentliche Sicherheit zu untergraben". Damit könnten Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit legitimiert werden, kritisiert das Zentrum für Demokratie und Technologie (CDT) in Washington.

Kontrolle durch Regierungen

China geht in seinen Vorschlägen besonders weit, würde einzelnen Staaten sogar die Autorität über Information und Kommunikationsstrukturen zusprechen. Unternehmen in diesen Ländern sollten das Internet nur "auf rationale Art" verwenden dürfen. Das würde volle Kontrolle durch die Regierungen bedeuten, kritisiert Kolumnist Gordon Crovitz im Wall Street Journal. Für ihn ist die ITU eine "obskure" UN-Organisation, die "das Internet bedrohen kann". Auf bisheriger Basis - ohne staatliche Vorgaben - funktioniere das Netz eigentlich ganz gut, findet dagegen Kummer. Daher wäre "überhaupt kein Abkommen auch eine Lösung". (dpa, pum, DER STANDARD 9.7.2012)