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Gegen "Schnellschüsse": Bundespräsident Fischer

Foto: APA/Tatic

Wien - Bundespräsident Heinz Fischer hat es am Sonntag in der ORF-Pressestunde offen gelassen, ob er den Fiskalpakt und den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) unterzeichnen wird. Er sagte zwar, dass er bei diesen Gesetzen, die diese Woche im Nationalrat beschlossen wurden, "keinen offensichtlichen Verfassungsbruch" sehe, er aber in dieser Sache seinen "Entscheidungsraster strenger machen möchte als bei einem offensichtlichen Verfassungsbruch". Das Staatsoberhaupt deutete eine Unterschrift an, betonte aber mehrmals, dass er die Materie sehr genau prüfen werde, bevor er unterzeichne.

Fischer machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass eine Prüfung des Fiskalpakts und des ESM durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) in Österreich im Gegensatz zu Deutschland erst dann möglich ist, wenn die Gesetze vom Bundespräsidenten unterzeichnet wurden. Fischer, der heute vor acht Jahren als Bundespräsident angelobt wurde, zählte die Möglichkeiten auf, die er hat: Wenn die Gesetze offensichtlich verfassungswidrig zustande gekommen wären, müsste er seine Unterschrift verweigern. Wenn er hingegen eindeutig überzeugt wäre, dass die Verfassungskonformität gegeben sei, es aber "sehr seriöse Pro- und Kontra-Argumente" gebe, sollte die letzte Entscheidung beim Verfassungsgerichtshof liegen. Und das gehe eben nur, wenn er vorher unterschreibe. Er sei jedenfalls noch zu "keinem endgültigen Ergebnis gekommen", betonte Fischer.

"Nicht unter Zeitdruck"

Er wolle alles in Ruhe prüfen und sich mit Juristen beraten, so Fischer. "Ich bin nicht unter Zeitdruck." Es werde am Ende jedenfalls "eine Entscheidung geben, die hieb- und stichfest ist und mit höchster Sorgfalt gefällt wurde". Fischer möchte seine Entscheidung genau überdenken. Dass der ESM mit Verfassungsmehrheit beschlossen wurde, für den Fiskalpakt aber nur eine einfache Mehrheit gereicht hat, ist für Fischer kein Widerspruch, denn es handle sich um unterschiedliche Materien. Der Fiskalpakt sei eine Sondervereinbarung nur unter 25 von 27 EU-Ländern, Großbritannien und Tschechien sind nicht dabei.

Warnung vor Schnellschuss bei Demokratiereform

Eine eindeutige und eindringliche Warnung vor Schnellschüssen bei der Ausweitung der direkten Demokratie hat Fischer an die Regierung gerichtet. "Macht keinen Automatismus vom Volksbegehren zur Volksabstimmung, sondern gebt dem Nationalrat ein echtes Mitbestimmungsrecht", appellierte der Präsident. Bei einem Automatismus würden nämlich zwei Arten der Gesetzgebung entstehen und "die Qualität der Gesetze würde entscheidend abnehmen", so Fischer. Wenn das Parlament bei der Entstehung von Gesetzen nicht mehr mitbestimmen könne, wäre der Bundesgesetzgeber damit "ausgeschaltet". "Das ist nicht durchdacht", sagte Fischer zu dem von der ÖVP favorisierten Modell.

Das Staatsoberhaupt meinte, dass er Volksbegehren, Volksabstimmungen und -befragungen für sinnvolle demokratische Instrumente halte. Er könne sich auch vorstellen, dass man diese in den nächsten fünf bis zehn Jahren häufiger anwende als bisher. "Der Punkt, die Trennlinie" sei aber dort, wo eine Gruppe von Menschen, das könne auch eine Lobby oder eine Zeitung sein, ein Volksbegehren macht und am Schnitt vom Volksbegehren zur Volksabstimmung das Parlament nicht mitbestimmen dürfe. Eine solche Automatik sei etwas, das man sich gut überlegen müsse, vor allem in Hinblick auf die Qualität der Gesetze, so Fischer. Wenn man das einmal in der Verfassung verankert habe, könne man es nicht mehr so leicht rückgängig machen.

Fischer ortete zudem einen "logischen Widerspruch" in der Argumentation für diese Reform. Die Befürworter würden nämlich damit argumentieren, dass nicht über Grundrechte abgestimmt werden dürfe. Dieser Verweis ist für Fischer ein Verweis darauf, dass dieses System "nicht geeignet" sei, die Verfassung zu bestimmen. Wenn man aber umgekehrt der Meinung sei, dass das Volk klüger und die direkte Demokratie besser als die repräsentative Demokratie sei, müsste man die Verfassung der direkten Demokratie überlassen und sie nicht davor schützen, so Fischer.

Legt Scheuch Rücktritt nahe

In der Causa Uwe Scheuch legte Fischer dem FPK-Chef den Rücktritt nahe. Wenn das jemandem in einer anderen Partei passiert wäre, "hätte die Freiheitliche Partei eine ganz klare Rücktrittsforderung formuliert; und ich glaube, dass die Freiheitliche Partei recht gehabt hätte mit einer solche Rücktrittsaufforderung", so Fischer. Er betonte einmal mehr, dass für Politiker strengere Grenzen herrschen müssten als sie das Strafrecht vorsehe. Scheuch würde mit einem Rücktritt jedenfalls "Applaus" verdienen.

Der Bundespräsident verteidigte weiters die Erhöhung der Parteienförderung im Zuge des Transparenzpaketes. Eine ausreichende Dotierung für politische Parteien unter strenger Kontrolle und Transparenz sei "eine gute Sache". Parteien müssten gut ausgestattet werden, damit sie nicht über "dubiose" Wege zu Geld kommen. Er hoffe, dass mit dem Transparenzpaket, das ein "großer Schritt" sei, die dubiosen Finanzierungskanäle gestoppt und eine transparente Finanzierung gesichert sei. Das Thema werde in "polemischer und unfairer Weise zugespitzt", so das Staatsoberhaupt.

Fischer bekannte sich auch erneut zur Wehrpflicht. "Ich halte die Wehrpflicht für ein gutes, für Österreich sehr taugliches System." Ein Berufsheer müsste man sich auch unter finanziellen Gesichtspunkten gut überlegen. Er freue sich jedenfalls, dass in dieser Debatte zwei Dinge erreicht wurden: Dass keine überstürzte Entscheidung getroffen und Generalstabschef Edmund Entacher von Verteidigungsminister Norbert Darabos (S) nicht abgesetzt werden konnte. "Entacher ist im Amt und die Wehrpflicht gibt es noch", so Fischer.

Deserteursdenkmal "nicht verstecken"

Die Pläne von Darabos zum Umbau der Krypta am Äußeren Burgtor und zur Errichtung eines Deserteursdenkmals begrüßte der Präsident dagegen. Es gebe zwar noch immer Vorbehalte gegen das Denkmal, weil Desertieren ja auch im heutigen Bundesheer noch strafbar sei. Wer aber im Hitler-Regime dem Krieg den Rücken gekehrt habe, sei mit einem klassischen Deserteur nicht zu vergleichen. Deswegen sei er für ein solches Denkmal. Und dieses solle nicht versteckt werden, sondern einen würdigen Platz finden. Der Heldenplatz sei eine Möglichkeit.

Auch ÖGB gegen Automatismus bei Volksbegehren

ÖGB-Präsident Erich Foglar teilt die von Bundespräsident Heinz Fischer in der ORF-Pressestunde geäußerte Skepsis an Teilen des Demokratiepakets: "Wir sind für die Stärkung der Demokratie, auch der direkten. Dass auf Volksbefragungen mit einer bestimmten Anzahl an Stimmen zwingend Volksabstimmungen folgen sollen, bereitet uns allerdings großes Unbehagen", sagte Foglar in einer Aussendung. Die ÖVP bekräftigte dagegen ihre diesbezüglichen Pläne. Die Grünen begrüßten Fischers Positionierung zur Errichtung eines Deserteursdenkmals und die rechten Parteien schossen sich wieder auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) ein.

"Wenn auflagenstarke Boulevardblätter und Privatpersonen, zum Beispiel finanzkräftige Unternehmer und politisierende Millionäre, mit Inseratenkampagnen und wochenlangen Coverstorys ein Thema so forcieren, dass über Volksbefragung und Volksabstimmung am Ende ein Gesetz daraus wird, dann entstehen Gesetze am Parlament vorbei" sagt Foglar. "Dieses Konstrukt würde bedeuten, dass man, wenn man nur genug Geld für Inserate hat, ein Gesetz kaufen kann. Eine derartige US-Amerikanisierung der Politik lehnen wir ab." Kleinere Organisationen oder Vereine wären deutlich benachteiligt, weil ihnen die Finanzkraft fehle. Man sei zwar für einen Ausbau der Mitbestimmung. Das Rezept für mehr Demokratie könne aber nicht lauten, das Parlament durch automatische Volksabstimmungen auszuschalten, so Foglar.

ÖVP-Rauch gegen Fischer

ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch kommentierte Fischers Kritik an den von der Volkspartei favorisierten automatischen Volksabstimmungen damit, dass sich niemand "vor einem mündigem Volk" zu fürchten brauche. "Wir sind überzeugt, dass die Bevölkerung in der Lage ist, auch bei wichtigen Themen verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen." Für die ÖVP sei es daher der logische Schritt, auch Volksabstimmungen zu Themen im Verfassungsrang durchzuführen. An dieser Haltung habe sich nichts geändert.

Leitl skeptisch

Gegenüber einer automatischen Volksabstimmung infolge von Volksbegehren gibt es jedoch auch in der ÖVP, die dieses Modell forciert, Skepsis. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl erklärte in einer Aussendung am Sonntag, dass er die Meinung von Bundespräsident Heinz Fischer bezüglich der "Aufweichung des Gesetzwerdungsprozesses" teile. "Ich teile seine Forderung nach mehr direkter Demokratie in Österreich sowie die Skepsis, dass nach einer erfolgreich abgehaltenen Volksbefragung automatisch eine Volksabstimmung folgen soll. Das halte ich ebenfalls für äußerst bedenklich", so Leitl.

"Grundsätzlich spricht nichts gegen mehr Bürgerbeteiligung und den vermehrten Einsatz von Mitteln der direkten Demokratie. Beim derzeit am Tisch liegenden Demokratiepaket scheinen mir diesbezüglich aber doch noch viele Fragen offen geblieben zu sein. In seiner jetzigen Form würde es letztendlich zu einer politischen Beschädigung des Parlamentes und aller der am Gesetzwerdungsprozess beteiligten Institutionen führen. Hier liegt also noch jede Menge Arbeit vor uns, dies zu korrigieren", so der WKÖ-Präsident.

"Bei Mitteln der direkten Demokratie muss es eine klare Trennlinie geben, wenn es darum geht, Gesetze durch Einsatz von Geld und Macht vorbei am Parlament zu schleusen. Hier würde sonst sehr schnell der Eindruck entstehen, dass man sich in Österreich Gesetze kaufen könne", so Leitl.

Grüne loben Präsidenten

Grünen-Nationalratsabgeordneter Harald Walser begrüßte die "klare Positionierung des Bundespräsidenten in Sachen Standort für das Deserteursdenkmal". Nun seien in der Standortfrage Verteidigungsminister Norbert Darabos und der Wiener Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (beide S) gefordert, so Walser.

Kritik am Auftritt des Bundespräsidenten kam von den rechten Parteien. Fischer hätte sich als "Schutzherr der neuen ESM-Dreierbande aus SPÖ, ÖVP und Grünen entpuppt". "Seine umständliche Ausdrucksweise kann nicht anders gedeutet werden, als dass er die Gesetze zu ESM und Fiskalpakt unterschreiben und damit in Kraft setzen wird", sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Fischers Politik sei damit einmal mehr völlig mutlos. Als "schockierend" bezeichnete Kickl Fischers Kritik an den Plänen, dass auf Volksbefragungen mit einer bestimmten Anzahl an Stimmen zwingend Volksabstimmungen folgen sollen.

Auch das BZÖ stieß sich an Fischer Aussagen zum ESM. Bündniskoordinator Markus Fauland forderte vom Präsidenten, "Rückgrat zu zeigen und zum Schutz der Österreicher seine Unterschrift zu verweigern". "Fischer sollte in letzter Sekunde diesen Schaden für das Land abwenden und damit eine möglicherweise große nationale sowie internationale Katastrophe verhindern", so Fauland. (APA, 8.7.2012)