Foto: Österreichischer Bundesverlag

Wenn Herbert Fussy, 1950 in Graz geboren, nicht gerade am Arlberg auf den Spuren von Ernest Hemingway wandelt, beschäftigt er sich mit Umgangssprache. Vor ein paar Jahren veröffentlichte er zum Beispiel ein Wörterbuch mit dem Titel Auf gut Österreichisch.

Die gesammelten Austriazismen von "Abbusseln bis Zwickmühle" waren aber nur ein Nebenprodukt von Fussys eigentlicher Tätigkeit: Seit 1987 ist der Germanist, der auch Kunstgeschichte, Volkskunde, Philosophie, Sprachwissenschaften und Japanisch studiert hat, hauptverantwortlich für die Betreuung des Österreichischen Wörterbuchs.

Dieses feierte kürzlich sein 60-Jahr-Jubiläum: Anfang 1950 kündigte das Unterrichtsministerium ein Nachschlagewerk an, das "den in Österreich gebräuchlichen Wortschatz enthält und für alle Fragen der Rechtschreibung, die erfahrungsgemäß in Schule, Amt oder Büro auftauchen, die passende Lösung findet". Es kam Ende 1951 heraus.

Noch in den 1970er-Jahren war das ÖWB, damals mit grünem Umschlag, später mit rotem, eher schmalbrüstig. Ersatz für den Duden war es keiner. Doch unter Fussy wurde das ÖWB zu einer wirklichen Schwarte: Im letzten Vierteljahrhundert verdoppelte sich der Umfang. Die eben veröffentlichte 42. Auflage bringt es auf respektable 1056 Seiten und knapp 90.000 Stichwörter.

Die wohl stressintensivste Zeit seines Lebens war für Fussy, den man einen typisch barocken Österreicher nennen kann (im Denken wie in der Erscheinung), als es galt, das ÖWB dem mitunter unlogischen Regelwerk der Rechtschreibreform 2006 zu unterwerfen. Doch die Arbeit geht weiter: Hauptaugenmerk gilt nun der "Wortschatzerweiterung".

Mit Winders Wörterbuch zur Gegenwart kann Fussy nicht konkurrieren: Zu viele Begriffe haben eine zu kurze Haltbarkeit. Ein Abbild der momentanen Situation will das ÖWB aber dennoch geben. Denn es dokumentiert den Wortschatz der Standardsprache und Alltagssprache (mit umgangssprach lichem und am Rande auch mundartlichem Gebrauch) sowie der wichtigsten Fachsprachen. Aufgenommen hat Fussy daher Begriffe wie Bürgerkarte, Citymaut, Arbeitszeitkonto, anfüttern, Rettungsgasse, Bettelverbot, Fukushima, QR-Code, Zentralmatura und Zentralbahnhof (obwohl man nun doch vom Hauptbahnhof Wien spricht).

Auch ELAK, die Abkürzung für den elektronischen Akt, und den U-Ausschuss findet man, ja selbst der Aperol hat Eingang gefunden, Red Bull hingegen nicht. Snoopy, der philosophierende Beagle, wird verblüffenderweise gelistet; Charlie Brown, das Herrchen, aber bleibt auch hier der Loser: Seinen Namen sucht man vergeblich.

Mit Fussy lässt sich erfahrungsgemäß trefflich über die Aufnahmekriterien streiten - und er weiß jede Entscheidung zu begründen. Dennoch tut sich, da es das ÖWB auch als um den Appendix abgespeckte, äußerst wohlfeile Schulausgabe gibt, eine wirklich schmerzliche Lücke auf: Die neue Bedeutung von Klausel wird nicht erklärt. "Ich hab die Klausel" heißt, trotz Fünfers aufsteigen zu dürfen. Im Gegensatz zu manch leidgeprüftem Elternteil dürfte Herbert Fussy diesen Satz noch nie zu hören bekommen haben. (Thomas Trenkler, Album, DER STANDARD, 7./8.7.2012)