Da gibt es zum Beispiel eine Initiative dreier Jungstars aus der Küche: Sie alle haben erst kürzlich ihr eigenes Lokal eröffnet und treten nun als "Flemish Foodies" auf. Und die Gerichte, die die drei flämischen Freunde auftischen, lassen sich ohne Weiteres einer jugendlich-ungestümen Cuisine zuordnen.
Zwei von ihnen, nämlich Jason Blanckaert und Olly Ceulenaere, hatten den Kochlöffel einst bei Dreisternekoch Peter Goossens zu schwingen gelernt. Doch die hohe Gourmetküche bekam ihnen nicht, und so gingen sie dazu über, die Förmlichkeiten ad acta zu legen und ihre zwar essensaffine, aber tendenziell junge und urbane Kundschaft stattdessen mit Speisen zu verwöhnen, die frisch, zwanglos assortiert und stets mit einem gewissen Twist versehenen sind.
Das Ambiente passt genau ins Bild: Jason Blanckaerts Restaurant J.E.F. in der Nähe der romanischen Wasserburg Gravensteen ist klein, gemütlich und mit rohen, lasierten Holztischen ausgestattet - absolut nichts Überdesigntes. Als kleiner Spleen ließe sich allenfalls die J.E.F.-Punze werten, die sich mancherorts wiederfindet - auf dem Steak sogar in Form eines Brandzeichens.
So entspannt und verstreut wie die Atmosphäre im Lokal kommen auch die Speisen daher. Überall viel Grünzeug, Rettich, Mangold, diverse Dips, Gurkenstücke und Croûtons. Wobei sich zwei Personen immer einen Vorspeisenteller teilen, das solle die Kommunikation fördern. Und zwar mit durchaus subtilen Mitteln: Beim Ziegenkäse mit geeisten Limetten und lauwarmer Räuchermakrele etwa sind drei Wärmegrade auf einem Teller vereint. Und der niedrig gegarte Lachs ist nur einen Hauch vom Rohsein entfernt.
Freitags ab halb elf Uhr nachts gibt es solcherart zusammengestellte fünfgängige Menüs gar um bescheidene 20 Euro. Hoffentlich erweist sich das Unterfangen, die Kundschaft zu "Foodies" zu machen, nicht als ruinös.
Auch Jasons Kollege Olly Ceulenaere bemüht sich, das viergängige Menü in seinem Restaurant niedrig zu bepreisen: 24 Euro. Allerdings nur zu Mittag, abends nämlich muss man für sechs Gänge immerhin schon 63 Euro berappen. Doch dafür ist der Chicfaktor in dem ehemaligen E-Werk, einem Gewölbe mit vielen Ziegeln und Gusseisen, hoch. Und man bekommt originelle Speisen serviert, etwa Tomatensalat mit Kerbel-Granité oder Rohkost aus weißem Rettich in Spiralen und gecrashten Broccoli.
Was macht Ollys Stil aus? "Ich wende Elemente aus aller Welt auf das an, was ich hier rund um Gent vorfinde", erzählt er. "So zum Beispiel übertrage ich die japanische Technik des Tunfischtrocknens auf die graue Nordseegarnele." Aus deren Substrat brüht er anschließend eine klare Suppe, die er kalt serviert.
Jan van Eyck und Balsamico
Ein weiterer Schützling von Peter Goossens ist der Patissier und Chocolatier Joost Arijs, dessen neues, von ihm und seiner Freundin Elke de Baerdemaeker betriebenes Geschäft in der Nähe der St.-Bavo-Kathedrale steht. Beides ein Muss: die Kathedrale wegen Jan van Eycks monumentalen Altars und Arijs' Laden wegen all der Pralinen, Makronen und exotischen, unendlich zart gelierten Ganaches (mit Honig und Balsamico, mit Cointreau und Orange und dergleichen).
Am Ende des Tages braucht man ein Bier. Die Flamen sind große Biertrinker, und das spiegelt sich in einer endlosen Varietät wider, was seltsam anmutende Kombinationen miteinschließt. Da wird das Hopfengebräu auch schon mal mit Schokolade, Himbeeren oder Kirschen verfeinert. Das hierzulande vorgeschriebene Reinheitsgebot - Hopfen, Malz, Wasser - ist in Belgien unbekannt.
Auch Annick de Splenter hält sich in ihrem Trinklokal namens Gruut, einer ehemaligen Backsteinmanufaktur an einem der Schelde-Kanäle, nicht an dieses Gebot. Der Name weist bereits darauf hin, worum es hier geht: um Kräuter. "Im Mittelalter braute man das Bier hierzulande aus Malz und Kräutern", sagt sie. "Und man trank jede Menge davon, denn das Wasser war damals schlecht." Zurück zu den Traditionen also. Und, wie ist es? Leicht säuerlich, kohlensäurehaltig und kräuterig. Alles in allem: "Smaakt!" (Harald Sager, Album, DER STANDARD, 7.6.2012)