Wien - Ein Sanitäter, der im Vorjahr mit seinem Rettungsfahrzeug eine elfjährige Schülerin auf einem Zebrastreifen niedergefahren und schwer verletzt hatte, ist am Donnerstag im Bezirksgericht Wien-Fünfhaus wegen fahrlässiger Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Der 43-Jährige, der trotz Rotlicht die Kreuzung Neubaugürtel-Sorbaitgasse passiert und das vorschriftsmäßig die Straße überquerende Mädchen übersehen hatte, wurde zu einer Geldstrafe von 240 Euro (60 Tagessätze zu je vier Euro) verurteilt. Außerdem muss er der Schülerin 3.000 Schmerzensgeld bezahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

"Ich wollte meinen Bruder besuchen gehen. Es war Grün. Ich hab' links und rechts geschaut. Dann bin ich schon gelegen", schilderte das Mädchen im Zeugenstand den Unfall. Ein unbeteiligter Autofahrer, der die Szenen beobachtet hatte, erklärte, der Einsatzwagen des Grünen Kreuzes sei "ziemlich rasant dahergekommen" und "ohne das Tempo zu verlangsamen in die Kreuzung eingefahren. Ich bin erschrocken, wie ich gesehen habe, wie der an mir vorbeiblitzt".

"Hatte eine Patientin an Bord"

Der Sanitäter machte geltend, sich im Einsatz befunden zu haben und mit Blaulicht und Folgetonhorn unterwegs gewesen zu sein: "Ich hatte eine Patientin an Bord." Diese habe über rasende Kopfschmerzen geklagt und ihm angekündigt, ohnmächtig zu werden: "Da muss ich vom Schlimmsten ausgehen. Ich kann ja keine Diagnose stellen. Es hätte auch ein Blutgerinnsel sein können."

Folglich habe er die Frau möglichst rasch ins Spital befördern wollen. Den Feststellungen eines Sachverständigen für Verkehrstechnik zufolge dürfte er zum Unfallzeitpunkt mit rund 45 Stundenkilometern gefahren sein. Das Mädchen am Zebrastreifen habe er "leider nicht gesehen", bedauerte der Sanitäter. Als er die Elfjährige im letzten Moment doch noch wahrnahm, "habe ich versucht, das Auto zu verreißen, was zum Glück gelungen ist. Sonst wäre Schlimmeres passiert. Ich hab' sie nur mit dem Außenspiegel im Gesicht erwischt".

Urteil nicht rechtskräftig

Die Schülerin erlitt bei dem Unfall einen Handgelenksbruch sowie eine Fraktur des linken Mittelfußknochens und des linken Unterschenkels. Auf die Frage, wie es ihr heute gehe, bemerkte das Mädchen: "So la la. Ich hab' Alpträume und immer wieder auch Schmerzen." Bis die Verletzte abtransportiert werden konnte, war damals übrigens fast eine dreiviertel Stunde vergangen.

"Sie haben an der Kreuzung nicht angehalten, wozu Sie aber verpflichtet gewesen wären. Sie haben die nötige Sorgfalt und Aufmerksamkeit außer Acht gelassen", begründete die Bezirksrichterin ihren Schuldspruch. Der Sanitäter, selbst Vater von sechs Kindern, akzeptierte die Verurteilung. Infolge des Unfalls war er vom Grünen Kreuz an eine andere Dienststelle versetzt worden. Die Bezirksanwältin gab keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (APA, 5.7.2012)