Griechenland hat endlich eine Regierung: eine Drei-Parteien-Koalition von Mitte-Rechts bis Mitte-Links mit einer komfortablen Mehrheit im Parlament. Auf die Regierung wartet die wichtige Aufgabe, Selbstvertrauen und Stabilität in einem Land wiederherzustellen, in dem die Wirtschaft die Qualen langsamer Strangulation erleiden musste, die Gesellschaft angesichts Arbeitslosenraten von 22 Prozent und höher verzweifelt, während die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50 Prozent liegt und die politische Ordnung bröckelt. Die neue Regierung wird auch das Vertrauen ihrer europäischen Partner wiedergewinnen müssen - von denen einige zu denken scheinen, Griechenland sei ein hoffnungsloser Fall.

Eine friedliche Revolution

Viele unerwartete Dinge sind in den letzten zwei Jahren geschehen, inklusive einer Reduktion des griechischen Haushaltsdefizits um 6,5 Prozent des stetig sinkenden BIPs, mehr als jedes andere OECD-Land bisher jemals geschafft hat, sowie eine inländische Abwertung von ca. 15 Prozent, welche einen Teil der verlorenen Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wiederhergestellt hat: Kein kleiner Erfolg, mit hohen politischen Kosten. Aber Griechenland war in Sachen Reformen langsam, insbesondere was die Reform eines aufgeblähten und ineffizienten öffentlichen Dienst betrifft, das größte Hindernis für wirtschaftliche Entwicklung.

Zugegeben, wenn die Wirtschaft schrumpft sind Reformen politisch sehr schwierig, auch wenn das nicht der einzige Grund ist. Griechenlands politische Klasse, deren Mitglieder sich zu großen Teilen schon auf dem Rückzug befinden, vermittelt manchmal den Eindruck, von Natur aus unfähig zu sein, den Staat und das dazugehörige Klientelsystem zu reformieren.

Nicht weniger als eine friedliche Revolution - das ist es, was Griechenland braucht. Das alte Modell der Wirtschaftsentwicklung ist offensichtlich bankrott, eine radikale Erneuerung der politischen Klasse ist nötig. Aber das dauert in Demokratien so seine Zeit. Man kann nicht alles in zwei oder drei Jahren ändern, und noch viel weniger, wenn die Wirtschaft in einer tödlichen Spirale von Austerität und Rezession gefangen ist. Am Ende dieses Jahres wird Griechenland in etwa 20 Prozent seines BIP innerhalb von vier Jahren verloren haben. Zeichen für Licht am Tunnel gibt es bisher nicht.

Selbst mit den besten Absichten von Griechenlands politischen Meistern - zugegebenermaßen eine harte Annahme - hätte es keinen Weg gegeben, wie das Land all das hätte liefern können, was seine Schuldner und die Priester der Wirtschafts-Orthodoxie von ihm erwarteten. Glücklicherweise setzt sich diese Erkenntnis nun langsam durch: Wenn man die Versorgung mit Sauerstoff (und Flüssigkeit) durch die Banken und das Budget drastisch reduziert, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Patient stirbt.

Teil der europäischen Lösung

Griechenland ist anders, in einigen Aspekten vielleicht sogar extrem. Aber es ist sicherlich kein Einzelfall, noch nicht einmal das Hauptproblem in der Euro-Zone. Dies wollten aber viele der europäischen Partner glauben, oder gaben vor, es zu glauben, als die Krise ausbrach. Sie lagen falsch, wie darauffolgende Entwicklungen zur Genüge bewiesen haben. Wir müssen die Grenzen der bisher verfolgten Strategie anerkennen und den Kurs wechseln. Sonst riskiert Griechenland, den Weg aufzuzeigen, dem andere Länder der europäischen Peripherie bald folgen könnten - und der sieht aus wie der Weg in die Hölle.

Wir müssen strukturelle Reformen mit Maßnahmen kombinieren, die Wachstum und Beschäftigung fördern, denn Europa bewegt sich schmerzhaft langsam in Richtung einer Banken- und Fiskalunion als notwendiges Pendant zur Währungsunion. Die Deutschen haben Recht, wenn sie argumentieren, dass die politische Union ein integraler Bestandteil der großen neuen Abmachung sein sollte, die zur Rettung des Euro und der europäischen Integration gebraucht wird. Was Griechenland betrifft, so wird es auf die harte Tour beweisen müssen, dass es verdient, weiter Teil der europäischen Lösung zu sein. (Loukas Tsoukalis, derStandard.at, 6.7.2012)