Christian Tschida pflegt sein Unkraut mit Hingabe - ist es doch mit ein Garant für spannungsgeladene Weine mit vergleichsweise wenig Alkohol.

Foto: Heribert Corn

Christian Tschida pflegt sein Unkraut mit Hingabe - ist es doch mit ein Garant für spannungsgeladene Weine mit vergleichsweise wenig Alkohol.
Fotos von: Heribert Corn

Foto: Heribert Corn

Willi Bründlmayer warnt seit Jahren, dass es der vielleicht herrlichsten Weißweinlage des Landes, dem Heiligenstein, bald einmal zu heiß wird. In der Presse ließ der Großmeister des Grünen Veltliners und erklärter Feind allzu alkoholschwangerer Weine durchaus ernsthaft verlauten, dass dieser, von der legendären Ried Lamm abwärts, in kommenden Generationen bereits unter Sonnenschirmen gedeihen könnte - oder seine Charakteristik für immer verlieren. Auch, dass Bründlmayer mit einigen Lagen ins Waldviertel ausweichen wird, ist ernsthaft angedacht: "Wir Winzer können nichts gegen die Klimaänderung tun, wir müssen uns einfach anpassen."

Straffe Saite statt Marmelade

Christian Tschida kann seine Weine nicht den Berg hinaufklettern lassen, wenn es ihnen zu warm wird. Er sitzt im Seewinkel, einer der heißesten Gegenden der Republik - und flach wie eine Bratpfanne. Gleichzeitig kann er aber auch keine breiten, fetten Weine machen, wie sie von vielen noch immer gesucht werden: "Ich kann nur Weine machen, die mir selbst schmecken."

Die Weine, die ihm schmecken, kommen aus Burgund ("nur die strengen Pinots"), es sind charakterstarke Cabernet Francs von der Loire, Gewächse aus dem Bordelais, die noch nach alter Fasson "im vorigen Jahrhundert" gemacht wurden. Weine, bei denen der Druck am Gaumen nicht vom Alkohol herrührt, sondern vom Extrakt, die vor Spannung und Finesse vibrieren wie eine straff gespannte Saite, statt sich im Mund breitzumachen wie ein Löffel Marmelade.

Tschidas Weine sind von vergleichbarer Stilistik. Wo in der Nachbarschaft beständig Weine mit 14, ja 15 Volumsprozent entstehen und seit dem Abebben dieser Moden "das verdammte Klima" schuld dran ist, haben seine Gewächse kaum je mehr als 12,5 Prozent. 

Der Stock weiß selbst, wie viel der tragen mag

Wie das kommt, zeigt Tschida im Weingarten. Da stehen 40 Jahre alte Zweigeltreben, und ringsum wuchert es, dass auch gartenferne Gemüter gleich mit dem Jäten anfangen möchten. Meterhoch stehen die Beikräuter, wie Tschida das Gewucher nennt, im Saft. Die Trauben selbst sind deutlich weniger reif als jene des Nachbarn ein paar Meter weiter. Dort freilich stehen nur die Stöcke im säuberlich ausgeputzten Garten. Es hängen gerade einmal drei Trauben am Stock, während es bei Tschida leicht einmal zwölf sind.

"Ich schneide keine Trauben weg", sagt er, "der Stock weiß eh, wie viel er tragen mag." Er weist auf die Kleinwüchsigkeit der Beeren hin, zeigt, wie leichtgewichtig sie im Vergleich zu anderen sind: "Viele Trauben, dafür aber kleine", erklärt er sein Konzept, "und reichlich Beikräuter, die sich mit der Rebe um jeden Tropfen Wasser matchen."

Schlanker Fuß und kräftiger Oberkörper

So müssen diese in die Tiefe, um sich Feuchtigkeit zu holen, dorthin, wo die Minerale schlummern. Und sie werden später reif: "Aber in diesen Wochen verfestigen sich die vielschichtigen Aromen erst", sagt Tschida. Dass er auch im Keller dem Laissez-faire (so heißt auch sein Top-Weißwein) huldigt, auf Spontanvergärung ebenso setzt wie auf lange Maischezeiten und zudem auf Filtrierung verzichtet, verwundert da nicht.

Am Gaumen verblüfft der geradlinige, straffe Zug nach hinten, die Feinnervigkeit und enorme Würze. "Es geht um die Balance aus schlankem Fuß und kräftigem Oberkörper - das macht einen großen Wein aus." In Österreich schlucken manche, weil die außergewöhnlichen Cuvées aus Zweigelt und Cabernet Franc auch preislich nicht weit von der Oberliga entfernt sind.

In der Top-Gastronomie und erst recht in Skandinavien (wo die so hoch gehandelte neue nordische Küche ganz begeistert von der Korrespondenz österreichischer Cool-Climate-Weine zu ihren Kreationen ist) aber reißen sie ihm die "Kapitel", Domkapitel" und "Laissez Faire" genannten Weine regelrecht aus der Hand, weil sie so zur feingliedrig hintergründigen Eleganz der Gerichte passen. Aber auch bei uns können sich immer mehr die Lust nicht versagen, der Finesse von Tschidas Weinen nachzuschmecken - seit kurzem sind sie auch bei Wein & Co zu haben. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 6.7.2012)