"Es ist schon ein Zugeständnis und wichtiger Schritt, dass Saudi-Arabien dieses Zentrum initiiert."

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Nach der Eröffnung Ende November werden 25 Personen in dem Zentrum arbeiten. Die "Board-Members", bestehend aus Vertretern aller Weltreligionen, sollen sich viermal im Jahr treffen. Es ist die erste internationale Organisation weltweit, die sich ausschließlich dem interreligiösen Dialog widmet.

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"Zu intervenieren ist keine Aufgabe des Zentrums."

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Das Zentrum wird in das sanierte Ringstraßenpalais Sturany einziehen, das von Saudi-Arabien erworben wurde.

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Der Nationalrat wird kurz vor der Sommerpause des Parlaments mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, BZÖ und FPÖ noch die letzten Weichen für das "König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen Dialog" in Wien stellen. Das auf Initiative von Saudi-Arabien errichtete und finanzierte Zentrum sorgt schon vor der für den Herbst geplanten Eröffnung für Kritik und Aufruhr, da in Saudi-Arabien die Ausübung anderer Religionen und Strömungen abseits des Wahhabismus verboten ist und Menschenrechte allgemein stark eingeschränkt werden. derStandard.at sprach mit der interimistischen Vize-Generalsekretärin des Zentrums, Claudia Bandion-Ortner, über ihre neue berufliche Aufgabe und die Situation in Saudi-Arabien.

derStandard.at: Waren Sie selbst schon in Saudi-Arabien?

Bandion-Ortner: Nein, war ich noch nicht, aber ich werde sicherlich bald hinfliegen. Ich möchte mir das nationale Dialogzentrum ansehen, das es bereits in Saudi-Arabien gibt. 

derStandard.at: Was glauben Sie, wie wird es Ihnen dort als Frau gehen?

Bandion-Ortner: Es ist sicher nicht vergleichbar mit unseren Standards hier, keine Frage. Ich habe eine Frau aus Saudi-Arabien kennengelernt, die hier bei uns mitarbeitet, auch Kopfbedeckung trägt, aber ich muss sagen: Die ist so tough und selbstbewusst. Es ist ein Vergnügen, mit ihr zusammenzuarbeiten. Da sieht man wieder, man hat totale Vorurteile, glaubt, diese Frauen haben kein Selbstbewusstsein und machen nur, was ihnen die Männer anschaffen. Das stimmt aber überhaupt nicht. 

derStandard.at: De facto ist es aber so, dass die Zustände in Saudi-Arabien andere sind. Wenn Sie mit dem ehemaligen saudischen Vize-Bildungsminister, der derzeit Generalsekretär des Zentrums ist, so eng zusammenarbeiten, haben Sie ihn dann nicht gefragt, wieso hier ein Miteinander auf Augenhöhe möglich ist zwischen Männern und Frauen und in Saudi-Arabien nicht? 

Bandion-Ortner: Ich weiß nicht, wie es in Saudi-Arabien ist, und muss mir das selbst erst ansehen. Deswegen interessiert es mich ja auch. Die Kooperation hier ist jedoch sehr, sehr gut. Da kann man nichts bemerken von der unterschiedlichen Behandlung. Ich war zuerst besorgt, weil ich ja beinahe die einzige Frau hier bin. Es gibt ja fast keine weiblichen Religionsführer. Das Board akzeptiert mich. Die waren sicherlich am Anfang skeptisch, weil ich ja bis dato nichts mit Themen wie Religion zu tun hatte. 

derStandard.at: Vielerorts gab es kritische Stimmen wegen Ihrer Bestellung. Was qualifiziert Sie dafür, den Job als stellvertretende Generalsekretärin auszuüben?

Bandion-Ortner: Ich bin sicher nicht die oberste Religionslehrerin der Nation und bin auch nicht für die Inhalte verantwortlich. Dafür ist das Board zuständig. Meine Funktion ist eine reine Management-Funktion. Ich leite das Zentrum, wenn der Generalsekretär im Ausland ist. Und das bin ich ja gewöhnt. Ich habe ein Ministerium geleitet, bei Gericht eine Abteilung geleitet und habe jetzt ein Jahr lang in einer internationalen Organisation, nämlich der IACA (International Anti-Corruption Academy, Anm.), als Senior Advisor gearbeitet. Außerdem habe ich viele Kontakte zu anderen Staaten aufgrund meiner Tätigkeiten.

derStandard.at: Wenn in Saudi-Arabien die Ausübung anderer Religionen verboten und unter Strafe gestellt ist, wie soll dann ein interreligiöses Zentrum, das von Saudi-Arabien finanziert wird, je ernst genommen werden?

Bandion-Ortner: Die Organisation ist nicht gleich Saudi-Arabien. Es werden sicher keine saudi-arabischen Traditionen Einzug halten. Das Zentrum wurde vom saudischen König initiiert, der sehr an einem Dialog interessiert ist. Und genau deshalb, weil das von Saudi-Arabien ausging, muss man es auch ernst nehmen und ihnen die Chance geben, da etwas zu entwickeln.

derStandard.at: Der Wahhabismus, die Staatsdoktrin in Saudi-Arabien, ist nicht gerade als friedliche religiöse Strömung bekannt ...

Bandion-Ortner: Das ist eine von vielen verschiedenen Strömungen des Islams. Wichtig ist aber, und das steht im Agreement schwarz auf weiß, unterzeichnet vom Außenminister Saudi-Arabiens: Die Menschenrechte stehen über allem. Aufgabe des Zentrums ist es, die Instrumente und Know-how zur Verfügung zu stellen für einen besseren Dialog und um in Zukunft Missverständnisse zu verhindern. Wir werden sicher nicht sagen: Diese und jene religiöse Strömung in diesem und jenem Land ist nicht zu akzeptieren. Wichtig ist, dass man sie alle kennenlernt. 

derStandard.at: Wenn die Menschenrechte eingehalten werden sollen, muss man sich ja gleich an den Tisch setzen mit Saudi-Arabien und Forderungen stellen. 

Bandion-Ortner: Intervenieren ist nicht die Aufgabe des Zentrums. Dialogführen, ja. Saudi-Arabien muss man auch eine Chance zur Öffnung geben. Die Leute, die im Board sitzen, machen das ja nicht zum Spaß. Diese Herren würden nie zulassen, dass Saudi-Arabien das Zentrum als Werbung für sich selbst benutzt, um vom schlechten Image abzulenken. 

derStandard.at: Was machen Sie, wenn Sie sehen, dass sich in Saudi-Arabien nichts tut, nichts verbessert?

Bandion-Ortner: Es ist nicht meine Aufgabe, Saudi-Arabien zu reformieren, das wäre zu viel verlangt. 

derStandard.at: Wie kann man mit einem Land, das den Bau von Kirchen, geschweige denn Synagogen verbietet, in einen interreligiösen Dialog treten?

Bandion-Ortner: Es ist schon ein Zugeständnis und wichtiger Schritt, dass sie dieses Zentrum initiieren. Ob sich etwas ändern wird oder nicht, kann das Zentrum in Wirklichkeit nicht steuern. Natürlich wird es aber Diskussionen genau zu diesen Themen geben.

derStandard.at: Wird es ein Treffen der Board Members in Riad geben? Dann dürfte Rabbi David Rosen ja nicht mitreisen (Juden ist es nicht erlaubt, in Saudi-Arabien einzureisen, Anm.).

Bandion-Ortner: Darüber muss der saudische Außenminister entscheiden. Ich kann das nicht beurteilen. Aber möglich, dass es dort einmal ein Treffen gibt. 

derStandard.at: Warum wurde das Zentrum als Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit eingerichtet?

Bandion-Ortner: In diese Entscheidungsfindung war ich nicht eingebunden. Aber ich glaube, dass es vom Standing her besser ist, weil man als internationale Organisation einfach handlungsfähiger und unantastbarer ist. 

derStandard.at: Es wird kritisiert, dass die Polizei dadurch zum Beispiel keinen Zugriff hat, da das Zentrum wie eine Botschaft behandelt wird. 

Bandion-Ortner: Man kann trotzdem nicht in das Palais verschwinden und "out of law and order" agieren. 

derStandard.at: Es werden dort also auch keine wahhabitischen Hassprediger auftreten?

Bandion-Ortner: Ich glaube nicht, dass das unsere Board-Members goutieren würden. Da würde es einen Riesenprotest geben. 

derStandard.at: Gibt es Bestrebungen, noch mehr Länder ins Boot zu holen?

Bandion-Ortner: Das ist noch offen. Es ist nicht das vorrangige Ziel. Die Finanzierung ist für die nächsten drei Jahre gesichert. Wichtig ist, dass wir einmal zu arbeiten beginnen. Und wir arbeiten hier sowieso weltweit, die Board-Members sind ja nicht nur aus den drei Staaten, die das Zentrum gegründet haben. (Teresa Eder, derStandard.at, 4.7.2012)