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Baustelle Euro. Die Europäische Zentralbank dürfte am Donnerstag den Leitzins senken, davon gehen Ökonomen aus.

Foto: REUTERS/Alex Domanski

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Ob Mario Draghi am Donnerstag über scheinen Schatten springt, weiß man noch nicht.

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Washington/Frankfurt - Erstmals in der Geschichte der Währungsunion dürften die Notenbanker um EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag den Leitzins unter ein Prozent senken - vermutlich auf 0,75 Prozent. Davon geht nach jüngsten Äußerungen von EZB-Chefökonom Peter Praet und wegen der Probleme in vielen südeuropäischen Ländern die große Mehrheit der geldpolitischen Beobachter aus. Dass der EZB-Rat zudem mit einer Absenkung des Einlagezinses - den die Banken für geparktes Geld bei der EZB bekommen - auf null noch weiter geht, scheint möglich. An den Finanzmärkten wird zudem spekuliert, ob die Währungshüter weitere Liquiditätsspritzen für die Banken zumindest für den Fall andeuten, dass sich die Lage nicht bessern sollte.

Lagarde rät ab

Kurz vor der mit Spannung erwarteten Zinsentscheidung hat IWF-Chefin Christine Lagarde der EZB die Wiederaufnahme ihrer umstrittenen Staatsanleihenkäufe im Kampf gegen die Krise empfohlen. Verstärkte Anleihenkäufe seien im Vergleich zu einer Zinssenkung, wie sie aktuell an den Finanzmärkten erwartet wird, zielgerichteter und effektiver, sagte die frühere französische Finanzministerin, die den Internationalen Währungsfonds (IWF) seit Mitte vergangenen Jahres leitet.

"Wir sind uns nicht sicher, ob das im Moment der beste Weg ist", sagte sie am Dienstag im US-Fernsehsender CNBC. "Deutschland braucht keine Zinssenkung der EZB, aber Italien und Spanien. Man kann aber mit diesem geldpolitischen Instrument nicht differenzieren. Hingegen kann das Wertpapierkaufprogramm viel selektiver und vernünftiger eingesetzt werden." Der IWF hatte noch vor vier Wochen eine laxere Geldpolitik der EZB und eine Zinssenkung gefordert.

Umstrittene Bonds-Käufe

Die von Lagarde ins Gespräch gebrachten Käufe von Staatsanleihen sind vor allem in Deutschland und einigen anderen nordeuropäischen Ländern umstritten. Der ehemalige deutsche Bundesbankchef Axel Weber hatte schon im Mai 2010, als die EZB begann, griechische Bonds zu kaufen, keinen Hehl daraus gemacht, dass er eine solche Unterstützung für einzelne Länder wegen der damit verbundenen Risiken ablehnt. Auch sein Nachfolger Jens Weidmann ist gegen Staatsanleihenkäufe, ebenso wie inzwischen eine Mehrheit im EZB-Rat. Das entsprechende Programm jedenfalls wurde seit Monaten nicht mehr genutzt. Dennoch hat die EZB für mehr als 210 Mrd. Euro Staatsanleihen überschuldeter Euro-Länder in ihren Büchern.

Die EZB hatte vergangene Woche eine Erleichterung bei den Anforderungen an die Sicherheiten beschlossen, die Banken bei Refinanzierungsgeschäften mit der Notenbank als Pfand geben müssen. Ziel der Maßnahme ist es, vor allem den maroden spanischen Banken unter die Arme zu greifen.

Am Dienstag dann teilte die EZB mit, dass sie künftig die Möglichkeiten der Banken begrenzt, sich bei ihr mit selbst ausgegebenen staatlich garantierten Bonds zu refinanzieren. Nach Ansicht von Experten könnte diese Maßnahme entweder darauf hindeuten, dass die EZB mit der Qualität der bei ihr eingereichten Sicherheiten nicht zufrieden ist. In Frankfurter Finanzkrisen wird allerdings auch darüber sinniert, ob Draghi damit der kritischen Bundesbank eine Art Beruhigungspille geben wollte, damit sie weitere geldpolitische Lockerungsschritte akzeptiert. (APA/Reuters/red, derStandard.at, 4.7.2012)