Man kann nicht behaupten, Fritz Lobheimer wäre unverantwortlicher als andere junge Wiener seines Standes. Er ist k. u. k. Leutnant der Reserve. Von der Kleinbürgerin Christine nach seinem Lebenswandel befragt, antwortet er eher stockend: "Das ist doch alles ganz belanglos." Er besucht gelegentlich Vorlesungen. Er trifft Menschen, an denen ihm nichts liegt, und schlägt in Kaffeehäusern die restliche Tageszeit tot.

Zu tragischem Leben erwacht der "Held" in Arthur Schnitzlers bürgerlichem Trauerspiel Liebelei (1895) ausgerechnet im Uneigentlichen, Geheimen. Seine Beziehung zu einer verheirateten Dame wirft bereits zu Anfang des Schauspiels unheimliche Schatten voraus.

Es fehlt nicht an Warnsignalen. Sein Freund Theodor redet ihm eindringlich ins Gewissen. Fritz solle den "gefährlichen Dunstkreis" der Geliebten aus Gründen des Selbstschutzes meiden. Theodor ("Dori") ist ihm als Busenfreund zugleich das Sprachrohr jener Auffassungen, die in Liebesdingen gerade en vogue sind: Fritz müsse versuchen, sich in "ein anderes Abenteuer hineinzuretten". Frauen seien es nicht wert, dass man ihretwegen Kummer leide. Im Gegenteil: "Zum Erholen sind sie da."

So nimmt das Unheil in drei Akten wohl auch deswegen seinen Lauf, weil Fritz auf seinen Untergang unbeirrt drauflosmarschiert. Theodor hat die beiden "süßen Mädel" Mizi und Christine in die Wohnung seines Freundes in der Wiener Strohgasse (3. Bezirk) eingeladen. Mizi ist die pragmatische Naschkatze. Sie lässt sich mit Mokkatortenstücken füttern und gibt sich mit Blick auf die Männer keinerlei Illusionen hin. Christine, eine der treuherzigsten, aufrichtigsten Frauenfiguren der neueren Dramenliteratur, liebt jedoch. Sie liebt ihren Fritz derart rückhaltlos, dass dieser sentimentalische Taugenichts regelrecht von einer Verlegenheit in die nächste fällt.

Man scherzt in der abendlichen Wohnung. Man zitiert Treueschwüre, als wären es drollige Redensarten. Die heillos beschwipste Mizi sagt: "Wer wird denn im Mai an den August denken?" Theodor weiß anzumerken: "Wir hassen nämlich die Frauen, die wir lieben - und lieben nur die Frauen, die uns gleichgültig sind." Nur Christine spricht völlig unbeirrt folgenden bedeutungsschweren Satz: "Du bist aber mein Alles, Fritz."

Ein Herr im gelben Überzieher fordert Fritz zum Duell. Fritz, der verschlampte Romantiker, weiß umgehend, was es für ihn geschlagen hat. Im zweiten Akt tritt er seinen Abschiedsbesuch bei Christine an, die die Tochter eines braven Theatergeigers ist und für ihren verwitweten Papa in der Freizeit Noten kopiert.

Durch den zweiten und dritten Akt geistert jeweils die Vorahnung eines neuen Menschentyps: Christine ist die ältere Schwester der Ödön-von-Horváth-Mädchen. Diese lassen sich von der Schlechtigkeit der Welt just nicht verbiegen. Im Schlussakt wird ihr die Nachricht von Fritzens Duelltod nur sehr zögerlich entdeckt. Christine fällt aus allen rosaroten Wolken: Er hat sich für eine andere über den Haufen schießen lassen! Christine fragt: "Und ich ... was bin denn ich? Was bin denn ich ihm gewesen ...?"

Ihr Suizid scheint unvermeidlich. Die Vorstellung ist ihr unerträglich, dass die Trauer über Fritzens Tod jemals ein Ende finden könnte. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 4.7.2012)