In dieser Lagerhalle wurde Bakary J. im April 2006 von vier Polizisten schwerst misshandelt: ein Folterfall, der bis heute, sechs Jahre danach, für Rechtsstreit sorgt.

Foto: Robert Newald

Wien - Fast sechs Jahre, bis März 2012, dauerte es, bis sich das Innenministerium bei Bakary J. entschuldigte - bei jenem gambischen Schubhäftling, der im April 2006 in einer Lagerhalle in Wien-Leopoldstadt von vier Polizisten schwer gefoltert wurde.

Im April 2012 wurden dann drei der vier Polizisten, die 2009 bedingte Strafen wegen Quälens eines Gefangenen ausgefasst hatten, von der Disziplinaroberkommission im Bundeskanzleramt entlassen, respektive wurden ihnen ihre im Dienst erworbenen Rechte aberkannt. Der vierte, nicht direkt an der Folterung beteiligte Beamte hatte schon früher eine Geldstrafe akzeptiert.

Entlassung und Verlust erworbener Rechte

Dieser Kommissionsentscheid im heurigen April war für viele Beobachter ein unabdingbarer Schritt. Aber es war keineswegs der letzte, wie ein Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2012 besagt, der dem STANDARD vorliegt: Die Beschwerden der drei Beamten gegen die schweren Disziplinarstrafen werden angenommen, zwecks weiterer Prüfung ihrer Einwände.

Fällt diese Prüfung im Sinn der Beamten aus, könnten sowohl die Entlassung als auch der Verlust erworbener Rechte der Polizisten außer Kraft gesetzt werden. Ein neuerliches disziplinarrechtliches Verfahren gegen die Polizisten ware dann nötig. Bis zum endgültigen Spruch der Höchstrichter bleiben Entlassung und Rechteverlust aufrecht: Einer gleichzeitig mit der Beschwerde von den Beamten beantragten aufschiebenden Wirkung leistete das Höchstgericht nicht Folge - "wegen der Schwere des Delikts", erläutert ein Sprecher.

Frage über ordnungsgemäße Kundmachung

Müsste das Disziplinarverfahren wiederholt werden - es wäre sage und schreibe das vierte Verfahren dieser Art in dem Fall. Seit sich die behördeninternen Strafgremien mit den Folgen der Foltervorwürfe beschäftigen, werden Zweifel erhoben, ob dies rechtmäßig geschieht.

Im Mittelpunkt der Unsicherheiten steht die Frage, ob jene Disziplinarkommission des Innenministeriums, die 2007 als erste mit dem Fall beschäftigt war, ordnungsgemäß kundgemacht worden war: ein formaler Einwand mit weitreichenden Konsequenzen. Dass in dem am schwarzen Brett im Ministerium angeschlagenen Schreiben nicht ersichtlich gewesen sei, wer zuständig war, hatten die Anwälte der Beamten erstmals im Winter 2009 in einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde vorgebracht.

Wiederholung aus 2009

Kurz davor, im November 2009, hatte die Disziplinaroberkommission in der Berufung gegen die davor milden Urteile des untergeordneten Gremiums (vier Monatsbezüge Strafe) das gleiche Urteil gesprochen wie jetzt erneut im April: Entlassung, Rechteverlust.

Der Verfassungsgerichtshof gab der Beschwerde damals statt: Er kippte den Spruch am 29. November 2010. Dass nun vielleicht eine Wiederholung bevorsteht, ist für Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty Österreich, "ein Beweis, wie unzureichend das behördeninterne Disziplinarwesen zur Zeit ist." (Irene Brickner, DER STANDARD, 4.7.2012)