Direktorin Rasfeld will weg vom "Als-ob-Lernen".

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STANDARD: Während wir unser Gespräch aufzeichnen, diskutiert die österreichische Bildungsministerin zum Thema "Wie sieht die Zukunft der Schulen aus". Frau Rasfeld, wie sehen Sie deren Zukunft?

Rasfeld: Meine Vision von der Schule der Zukunft ist, dass die Kinder und Jugendlichen viel Erfahrung im Leben machen. Schluss mit dem Als-ob-Lernen in Arbeitsblättern. Die Schule soll das Basislager sein, wo diese Erfahrungen ausgetauscht, diskutiert und reflektiert werden, um dann wieder mit Forschergeist hinauszugehen. Die Basics, die man auch wissen muss, werden sich wahrscheinlich alle über das Internet herleiten. Jeder nach seinem Tempo und Interesse, wahrscheinlich viel besser dargestellt, als ein Lehrer das kann. In meiner Vision von Schule ist nur mehr die Hälfte der dort Tätigen Lehrer, die andere sind Handwerker, Künstler, Experten verschiedener Kulturen. Wissensvermittlung wird nicht mehr die Hauptaufgabe sein, denn Wissen alleine reicht nicht, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu lösen.

STANDARD: Wie arbeiten Sie?

Rasfeld: Wir nehmen als weiterführende Schule alle Kinder ab dreizehn, da eine der größten Herausforderungen der Zukunft ist, das Zusammenleben zu lernen. Wir nehmen auch Kinder mit Förderbedarf, mit Down-Syndrom, mit Hochbegabung. Um die Heterogenität noch zu erhöhen, arbeiten wir in Jahrgangsmischung, also 13- bis 15-Jährige.

STANDARD: Wie gehen Sie mit dieser Verschiedenheit im Unterricht um?

Rasfeld: Der Frontalunterricht ist nicht mehr möglich. Deswegen gibt es bei uns ein Lernformat, das heißt Lernbüro. Das ist für die Basics: Deutsch, Englisch, Mathe, Geschichte, Geografie, Sozialkunde. Das, was sonst im Schulbuch steht, erarbeiten sich die Schüler anhand binnendifferenzierter Materialien selbst. Sie können in Gruppen arbeiten, sie melden sich selbst zum Test an. Kurz: Da sind alte Fächer in einem Format aufbereitet, das Individualisierung ermöglicht. Sie haben einen Dreijahresplan, den sie abarbeiten. Indem man sich selbst zum Leistungsnachweis anmeldet, hat man die mentale Wende vom "du sollst" zum "ich kann".

STANDARD: Wie organisieren Sie den Rest?

Margret Rasfeld: Zum Beispiel in mehrere Wochen dauernden Projekten. Donnerstag ist bei uns Projekttag. Dafür geben unterschiedliche Fächer je eine Stunde und bündeln diese. Schulen haben den Auftrag, fächerübergreifend zu arbeiten. Es wird nur meist nicht gemacht, da die geeignete Struktur fehlt.

STANDARD: Darüber hinaus gibt es noch zusätzliche Projekte. Welche?

Rasfeld: Wir wissen aus der Hirnforschung, dass man nicht durch Auswendiglernen lernt, sondern durch Erfahrung. Wir haben deshalb ein Schulfach Verantwortung. Da sucht sich jeder Jugendliche eine verantwortliche Aufgabe im Gemeinwesen. Also raus aus der Schule zur Pflichtaufgabe zivilgesellschaftliches Engagement.

STANDARD: Was machen die Jugendlichen da?

Rasfeld: Sie engagieren sich in Kindergärten, Flüchtlingsheimen, für alte Menschen, in ökologischen Projekten. Letztlich steckt dahinter: Der Lernort der Zukunft ist die Zivilgesellschaft. Da spielen Partizipation und Gestaltungskompetenz eine große Rolle und dass man sich etwas traut. Unser Projekt ist eine Vorbereitung dazu.

STANDARD: Was beinhaltet das Fach Herausforderung?

Rasfeld: Die Herausforderung toppt die Verantwortung. Beim Projekt Verantwortung sind die Schüler noch räumlich nah. Bei der Herausforderung gehen sie raus aus ihrer Stadt. Herausforderung heißt: sich diese selbst wählen, drei Wochen außerhalb von Berlin mit 150 Euro.

STANDARD: Welche Herausforderungen gibt es da?

Rasfeld: Vier 13-Jährige gehen etwa zu Fuß von Berlin an die Ostsee, sie müssen alles alleine organisieren und klarkommen im Team. Wenn es einen Konflikt gibt, können die nicht sagen: "Du kannst mich mal, ich geh nach Hause." Da lernen sie sehr viel und kommen geerdet zurück. Bei uns ist das Lernen, Wissen zu erwerben, genauso wichtig wie zu lernen zusammenzuleben und zu handeln.