Zwischen dem EU-Parlament und dem Ministerrat der Mitgliedsstaaten zeichnet sich nach dem EU-Gipfel eine neue Eiszeit ab. Die führenden Fraktionen von Konservativen, SP, Liberalen und Grünen zeigen sich unzufrieden darüber, dass die Regierungschefs ihre Maßnahmen nicht ausreichend demokratisch legitimieren.

Es gehe zwar zum Teil "in die richtige Richtung" einer Vertiefung zur " politischen Union" als Folge der Währungsunion, sagt Vizepräsident Othmar Karas (VP), aber "zu langsam". SP und Grüne bemängeln auch wie er, dass der Präsident des Parlaments, Martin Schulz, in die Reformgruppe rund um Ratschef Herman Van Rompuy nicht eingebunden wird. Die Grüne Ulrike Lunacek: "Es wird dazu eine Vier-Parteien-Initiative für einen künftigen Konvent geben."

Empörung

Geradezu Empörung gibt es aber substanzieller Abänderungen bei der geplanten EU-Patentrichtlinie wegen, die auf britischen Druck hin entstanden. Ein fix-fertig ausgehandelter Gesetzesvorschlag zum EU-Patent sei von den Regierungschefs einfach aufgelöst worden.

So soll der Sitz der Patentbehörde zwischen Paris, München und London aufgeteilt werden - was entsprechende Umgehungsmöglichkeiten bietet. Oder es sollen im Bereich der landwirtschaftlichen Zucht Regeln hinzugefügt werden, die die Bauern treffen, die Industrie aber bevorteilen würden durch "Beweislastumkehr". Die Folge: Das Parlament nahm die geplante Abstimmung über die EU-Richtlinie von der Tagesordnung. Die Sache wird an den Rechtsausschuss zurückverwiesen, wo das Patent nach Ansage der SP-Abgeordneten Evelyne Regner wieder scheitern wird. Man muss wieder neu verhandeln.

Damit gibt es nach dem Alleingang des Rates bei der Verschärfung des Schengenpakts einen weiteren gravierenden Streitfall. Das Plenum wird heute, Mittwoch, aber auch das von Rat und Kommission ausgehandelte Acta-Abkommen zum Schutz von Produkt- und Markenpiraterie zu Fall bringen, das wegen Eingriffen in die Privatsphäre unter Beschuss gekommen war.

Keine ESM-Blockade

Die EVP versucht mit einem Antrag auf Prüfung beim Gerichtshof Zeit zu gewinnen, aber bei der Abstimmung "wird es dafür keine Mehrheit geben", sagt Elisabeth Köstinger (VP). Während also in ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, die Bedeutung für den Binnenmarkt haben, Sand ins Getriebe gekommen ist, kann das EP bei Weichenstellungen im Rettungsschirm ESM nicht direkt eingreifen, weil das intergouvernemental geregelt ist. Zur Ankündigung von Finnland, Hilfen aus dem ESM zur Stützung von Anleihen zu verhindern, sagte ein Kommissionssprecher, dies sei gar nicht möglich. In Eiltfällen entscheide man im ESM mit 85 Prozent der Stimmengewichte. Finnland hat nicht einmal zwei Prozent. (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, 4.7.2012)