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Expremier Mahmud Jibril wirft sich in die libysche Wahlschlacht

Foto: APA/EPA/Elmhedwi
Graphik: STANDARD

Von Wahlfieber ist in Tripolis zwar nichts zu spüren, die Libyer und Libyerinnen sind sich der historischen Dimension der Wahlen vom Samstag aber bewusst. Für viele ist die Tatsache, dass der Urnengang stattfindet, wichtiger als das Resultat. Nach den Wahlen werde alles besser, endlich würden Entscheidungen getroffen werden, sagt ein junger Familienvater, der darauf wartet, dass er wieder am Flughafen arbeiten kann, wo er vor der Revolution zehn Jahre tätig war. "Meine Papiere sind komplett, aber niemand ist zuständig", klagt er.

Gewählt wird am Samstag der 200-köpfige Nationalkongress, des sen Hauptaufgabe es sein wird, eine Verfassung ausarbeiten zu lassen und dann die Wahlen für ein definitives Parlament abzuhalten. Acht Monate nach Muammar al-Gaddafis Tod erhält Libyen damit eine gewählte Führung. Der ernannte Nationale Übergangsrat ist dann Geschichte.

Das Wahlsystem ist kompliziert, eine Kombination aus Einzelwahlkreisen, für die 120 Sitze reserviert sind und proportionaler Listenwahl, über die 80 Mandate vergeben werden. Neben 2500 Einzelkandidaten beteiligen sich mehr als 130 Parteien und politische Gruppierungen.

Die Lage ist unübersichtlich, denn Libyen hat keine Parteientradition. Parteien waren unter Gaddafi verboten und verteufelt. Nach dem Fall der Diktatur entstanden unzählige neue, von denen manche nur ein paar Dutzend Mitglieder haben. Auf eine längere Tradition als Organisation können nur die Muslimbrüder verweisen. Ihnen wird dafür übel genommen, dass sie teilweise aus dem Ausland finanziert werden.

Das Geld schaffe die größte Ungerechtigkeit, erklärt Hammuda Siala, der Sprecher der Allianz der Nationalen Kräfte des Exübergangspremiers Mahmud Jibril. Die Allianz gehört zusammen mit der Partei der Muslimbrüder und al-Wattan von Abdel Hakim Belhajj, dem ehemaligen Militärchef von Tripolis, zu den auffälligsten. Meinungsumfragen gibt es nicht; Prognosen sind deshalb praktisch unmöglich. Bestimmt werden die Islamisten, die in viele Gruppen zersplittert sind, gut abschneiden. Aber auch Jibrils liberale Gruppierung ist zuversichtlich. Wichtig sei, dass alle die Resultate akzeptiert, betont Siala.

Sicherheit mit Fragezeichen

Die Wahlkommission sei bereit, logistische Probleme gebe es nicht, erklärte ihr Chef Nouri al-Abbar am Montag bei einer Pressekonferenz. Schwere Vorwürfe richtete er an die Adresse des Innen- und des Verteidigungsministeriums, deren Sicherheitskonzept im Fall der gewalttätigen Angriffe auf die Wahlkommission in Tobruk und in Bengasi am Sonntag versagt habe. Im Osten des Landes haben Föderalisten zu einem Wahlboykott aufgerufen, den einige Hundert nun auch mit gewalttätigen Aktionen un terstrichen haben. Weitere Sicherheitsprobleme gibt es in der Wüstenstadt Kufra, wo es zu Kämpfen mit der Minderheit der Tabu kam. (Astrid Frefel aus Tripolis /DER STANDARD, 4.7.2012)