Wien - Muss er auch - ob seiner Dauerpräsenz in der Staatsoper (beim Jazzfest Wien) - befürchten, demnächst von Direktor Dominique Meyer zum Kammersänger befördert zu werden, ist gegen Performer Bobby McFerrin doch schwerlich der Vorwurf zu erheben, er käme nach Wien immer nur mit einem Koffer voller Routine.

Zwar hat der Mann, der mit seinem (Mehrstimmigkeit simulierenden) Zugang wie eine ganze Band klingt, Stilwelten voll des sogleich Erkennbaren entwickelt. Allerdings: McFerrins Kunstansatz nimmt den Musizieraugenblick nach wie vor ernst - als jene Zeitstrecke, in der es auf spontane Gestaltung und abenteuerliche Interaktion ankommt. Dass er mit den Philharmonics, die sich auch mit Brahms Ungarischen Tänzen aufwärmten, nicht über eine herzige Session unter dem Komponierdach von Chick Corea hinauskam, ist klar. Bei Spain (mit dem obligaten Intro, dem molligen Adagio-Satz aus Rodrigos Concierto de Aranjuez) war für den Instrumentalsänger nicht mehr drin als zuhören, Schlagzeug simulieren und ein bisschen durch Vierteltriolen irritieren.

Mit dem Gesangstrio webe3 war dann allerdings jene Sicherheit der Kommunikation hergestellt, die profunde Improvisation erst ermöglicht. Auf Basis von "beatboxig", also ausschließlich mit Gesangsmitteln modellierten Grooves zog es McFerrin nicht nur zu beboppigen, in freitonalen Kulminationen mündenden Soli. Als uneitel kommentierender und kommunizierender Kollege provozierte er Vokaldialoge, die mitunter als witzige Theaterszenen ohne Wort bezirzten.

Der Rest war mit Fantasiesprache verzierte imaginäre Afrofolklore. Und auch die unvermeidliche Einbeziehung des mitsingenden Publikums fand statt. Diese Herstellung von Gemeinschaft allerdings nervte ein bisschen. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 4.7.2012)