Bild nicht mehr verfügbar.

Nilpferde sind schwer zu betäuben. Geht bei der Dosierung des Narkosemittels etwas schief, sind nicht nur die massigen Tiere gefährdet...

Foto: AP/Smithsonian Institution

Immer mehr Zoos und Wildparks sind mit einem freilich wenig alltäglichen Problem konfrontiert: Für tierärztliche Behandlungen ist es nötig, auch Flusspferde zu anästhesieren. Doch wie geht man dabei optimal vor? Sind die Tiere wach, laufen sie weg oder wehren sich, wenn sich ihnen ein Tierarzt nähert. Darüber hinaus haben Flusspferde eine besonders dicke Haut, was das Setzen von Injektionen oder Betäubungspfeilen deutlich erschwert. Nun haben Wiener Wissenschafter eine neue Form der Flusspferd-Narkose entwickelt. Ganz nebenbei lernten die Forscher von der Veterinärmedizinische Universität auch einiges über die Tauchtricks der Tiere.

Alle Zootiere, manchmal sogar Wildtiere, brauchen irgendwann eine veterinärmedizinische Behandlung, für die eine Anästhesie nötig ist. Für viele Tierarten gibt es bereits Standards, um sie zu anästhesieren. Doch bei Flusspferden stellt die Narkose noch immer eine große Herausforderung dar. Die dicke Haut und das dichte Unterhautbindegewebe machen es bei diesen Tieren zum ernsten Problem ihnen ausreichende Mengen von Narkosemittel zu verabreichen. Zudem verursachen Opioid-basierte Anästhetika bei Flusspferden oft Probleme mit der Atmung, die in seltenen Fällen sogar zum Tod führen können. Und als wären das nicht schon Schwierigkeiten genug, ist die Tiefe der Narkose bei einigen bisher bei Flusspferden verwendeten Narkosemitteln selten ausreichend, um einen chirurgischen Eingriff durchzuführen. Auch Tierärzte bringen sich besser in Sicherheit, wenn ein betäubtes Flusspferd aufwacht, soviel steht fest.

Zusammen mit Thierry Petit vom Zoo de la Palmyre, Frankreich, und Kollegen aus deutschen und israelischen Zoos entwickelten Gabrielle Stalder und Chris Walzer vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie nun eine neuartige Anästhesiemethode für Flusspferde. Sie baut auf den Wirkstoffen Medetomidin und Ketamin auf, beides keine Opiate. Stalder hat die neue Methode bereits an zehn in Gefangenschaft lebenden Flusspferden getestet. Alle diese Tiere konnten damit sicher operiert werden, wobei einige Tiere aufgrund der Schwiergigkeit das Gewicht genau zu schätzen, eine zusätzliche Dosis brauchten. Zudem erholten sich alle getesteten Flusspferde schnell und vollständig von der Narkose und zeigten keinerlei bleibende Effekte.

Tauchen während der Narkose

Ganz so glatt lief es aber dann doch nicht immer. Fünf der zehn Tiere hörten bis zu zehn Minuten lang auf zu atmen. Ihre Atmung setzte aber jedes Mal ganz von selbst wieder ein, ohne Zutun der Tierärzte. Die Forschenden gehen davon aus, dass dieses Aussetzen der Atmung bei Flusspferden auf den natürlich vorkommenden Tauchreflex bei dieser Tierart zurückzuführen ist. Flusspferde verbringen einen Gutteil ihres Lebens im und unter Wasser, deshalb können die Tiere ihre Luft auch relativ lange anhalten. Möglicherweise können Flusspferde auch wenn sie unter Narkose das Bewusstsein verlieren nach wie vor „abtauchen".

Die Forschenden hatten die einmalige Gelegenheit zu untersuchen, was im Körper von Flusspferden passiert, wenn sie zu atmen aufhören. Klarerweise sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut. Zu ihrer Überraschung stellten die Forschenden aber auch fest, dass dieser Abfall nicht mit einer Steigerung der Herzschlagrate verbunden ist. Auch die Laktatkonzentration steigt im Blut nicht an. "Alle Säugetiere, die tauchen, haben in der Evolution Strategien entwickelt, mit Sauerstoffmangel umzugehen. Durch die Art, wie Flusspferde auf die Anästhesie reagieren, vermuten wir, dass sie nicht auf einen anaeroben Stoffwechsel umschalten, sondern andere Mechanismen nutzen, um den Sauerstoff in ihrem Blut effektiver zu nützen", erklärt Walzer, "Mützenrobben beispielsweise haben sehr viel Myoglobin in ihren Muskeln, vielleicht nutzen Flusspferde einen ähnlichen Überlebenstrick." (red, derstandard.at, 3.7.2012)