Straßburg - Die österreichischen Europaabgeordneten halten die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise für unzureichend. Als "Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht die Lösung" bezeichneten etwa die Delegationsleiter von SPÖ und ÖVP, Jörg Leichtfried und Othmar Karas, am Dienstag in Straßburg die Gipfelbeschlüsse. Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek sprach von einem wichtigen Schritt, forderte aber auch eine Bankenlizenz für den ESM, einen Schuldentilgungsfonds und Eurobonds. Der FPÖ-Delegationsleiter Andreas Mölzer sprach von einem "endgültigen Durchbruch zu den Vereinigten Schuldenstaaten Europas".

Leichtfried betonte, es gebe keine Lösung zur Senkung der Anleihenzinsen von Euro-Staaten in Schwierigkeiten. Auch er forderte weitere Schritte bis zu Eurobonds. Mit einer gemeinschaftlichen Haftung könnten Zinsen für Staatsanleihen auch fixiert werden, so dass diese nicht mehr Marktbedingungen unterworfen wären, sagte Leichtfried. Der SPÖ-Delegationsleiter plädierte für die Abhaltung von Volksabstimmungen in der ganzen EU, wenn Kompetenzen in der Steuergesetzgebung oder in der nationalen Budgethoheit an die EU abgegeben würden. In drei bis vier Jahren könnte es so weit sein, sagte er. Mittelfristig sei die politische Union eine Notwendigkeit.

Karas kritisierte das Wort von der Kompetenzabgabe. "Wir vergemeinschaften Kompetenzen. Wir müssen aus der Frage Wien oder Brüssel raus", betonte der Vizepräsident des Europaparlaments. "Wir bleiben weiter mitverantwortlich." Die gemeinsame Währung benötige eine Banken-, Fiskal- und Wirtschaftsunion sowie soziale Mindeststandards und eine politische Union. Karas erwartet, dass das Europaparlament in den nächsten Tagen eine gemeinsame Linie beschließen wird, bis zum Dezember werde es Vorschläge für die Einberufung eines EU-Konvents zur Änderung der Verträge machen.

Initiative für Konvent

Lunacek sagte, die vier pro-europäischen Fraktionen des Europaparlaments würden eine Initiative für einen Konvent unterstützen. Karas und Lunacek sagten, das Europaparlament wolle auch in die Arbeiten der vier Präsidenten des Europäischen Rates, der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und der Eurogruppe zur langfristigen Reform der EU einbezogen werden.

Mölzer bezeichnete die Ergebnisse des EU-Gipfels als "schwarze Tage". "Ich glaube, dass uns der ESM in den Abgrund reißen wird." Auch Deutschland werde nun klar, dass es von anderen Ländern erpresst werde. Dies werde auf Dauer keinen guten europäischen Geist erzeugen. Im Gegensatz zu Österreich würden Holland und Finnland sich aber nicht bei allen Beschlüssen mitmachen wollen. Die "ultima ratio" habe bereits angefangen. Zwar könne man einen Austritt Österreichs aus dem Euro oder die Schaffung eines Nord-Euro verlangen, doch werde dies nicht passieren, sagte Mölzer. Die Krise habe bisher gezeigt, dass die Katastrophe schneller gehe als alle Beschlüsse. Dies werde sich auch in Griechenland zeigen.

"Was beim Gipfel beschlossen wurde, mündet in eine Änderung der Verträge", sagte der freiheitliche EU-Abgeordnete Franz Obermayr. Auch er verlangte ein Referendum in Österreich über die Aufgabe von nationalen Rechten.

Leichtfried zeigte sich überzeugt, dass eine derartige Volksbefragung von den Europa-Befürwortern gewonnen werden könne. Die Rechtsparteien würden die Bevölkerung mit ihrem "Dilettantismus" in ein "Desaster" führen. Sowohl die Idee eines Euro-Austritts oder eines Nord-Euros wären "Schwachsinn", sagte Leichtfried, der der Opposition mangelnde Verantwortungsbereitschaft vorwarf. (APA, 3.7.2012)