Wien - Der Umgang mit Schulschwänzern war in Österreich bisher nicht einheitlich geregelt. Am Dienstag wurde nun von der Regierung ein Stufenplan im Ministerrat beschlossen, der erstmals eine einheitliche Regelung für den Umgang mit schulpflichtigen Jugendlichen bringt, die über längere Zeit nicht in den Unterricht kommen. In vier Stufen sind darin Gespräche zwischen Schülern, Eltern, Lehrern, Schulpsychologen, Sozialarbeitern und der Schulaufsicht sowie die Einschaltung der Jugendwohlfahrt vorgesehen. In Härtefällen sollen Eltern eine Strafe von 440 Euro und damit doppelt so viel wie bisher bezahlen müssen.
Viele Schulschwänzer aus schwierigen Familien
Laut Unterrichtsministerium laufen derzeit 1.500 Strafverfahren wegen Verletzung der neunjährigen Schulpflicht. In 30 Fällen müssen Eltern eine Geldstrafe von derzeit noch 220 Euro zahlen. Einer vom Ministerium in Auftrag gegebenen qualitativen Studie zufolge sind die meisten Schulschwänzer zwischen 13 und 14 Jahre alt und bei beiden Geschlechtern zu finden. Viele kommen aus bildungsfernen, oft nicht mehr intakten Familien und haben Erfahrung mit Gewalt oder Suchtproblemen der Eltern gemacht. Kulturell bedingte Faktoren und damit der Migrationshintergrund spielen laut Studie hingegen nur "eine untergeordnete Rolle".
Einschreiten nach fünf Tagen
Mit dem Regierungsvorschlag wird erstmals definiert, wann überhaupt eine Schulpflichtverletzung vorliegt. Ein erstes Einschreiten ist laut Stufenplan vorgesehen, wenn ein Schüler fünf Tage bzw. 30 Stunden pro Semester oder an drei aufeinanderfolgenden Tagen unentschuldigt fehlt. Stufe I: Ein verpflichtendes Gespräch zwischen Schülern, Eltern und Lehrern, bei dem nach den Gründen für das Schwänzen gesucht und die Verantwortung für eine Verbesserung der Situation geklärt wird. Außerdem werden schriftlich die nächsten Schritte vereinbart und nach spätestens vier Wochen in einem weiteren Gespräch überprüft, ob diese von allen eingehalten wurden.
Stufe II mit Sozialarbeitern
Ist das nicht der Fall oder zeichnet sich schon früher ein Scheitern ab, folgt Stufe II, bei der unter Federführung der Schulleitung Schülerberater, Schulpsychologen bzw. wenn vorhanden Schulsozialarbeiter und Jugendcoaches einbezogen werden. Zeigt auch diese Maßnahme nach spätestens vier Wochen keine Wirksamkeit, wird in Stufe III die Schulaufsicht angerufen und die Beteiligten über weitere rechtliche Schritte informiert. Auch hier sind Gespräche mit Eltern, Schülern und Lehrern geplant. Nach maximal zwei Wochen wird in einem weiteren Gespräch die Wirkung der Maßnahme überprüft.
Erst nach vier Stufen kann Strafe verhängt werden
Nutzt auch das nichts, wird auf Stufe IV die Jugendwohlfahrt eingeschaltet, die gemeinsam mit der Schule Maßnahmen setzt. Zeigen auch diese keine oder schwache Wirkung, muss die Schulleitung nach maximal vier Wochen eine Anzeige bei der Bezirksverwaltungsbehörde einbringen. Diese kann dann eine Strafe von bis zu 440 Euro verhängen.
Um Schulschwänzen schon im Vorfeld zu vermeiden, müssen außerdem zu Beginn jedes Schuljahres zwischen Schülern und Klassenlehrern Kommunikations- und Verhaltensvereinbarungen vereinbart werden und Lehrer und Direktoren schon bei ersten Fällen von unentschuldigtem Fehlen unterstützend eingreifen bzw. die Ursachen für das Schwänzen beseitigen.
Um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen, soll die Zahl der Schulpflichtverletzungen jährlich erhoben und vom Unterrichtsministerium gesammelt werden. Auf Basis dieser Schulschwänz-Statistik soll nach drei Jahren eine Evaluierung erfolgen. (APA, 3.7.2012)