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Spindelegger, Glawischnig und Faymann nach dem Beschluss des ESM-Paktes.

Foto: APA/Niesner

Mit den Stimmen der Grünen wird der neue Euro-Rettungsschirm ESM am Mittwoch im Nationalrat möglich gemacht. Für die Einrichtung des ESM - Österreich haftet mit mehr als 19 Milliarden Euro - ist eine Änderung von Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) notwendig. Eigentlich dürfen weder die EU noch die einzelnen Mitgliedsstaaten für Verbindlichkeiten anderer EU-Staaten haften, das besagt die "No-Bail-out-Klausel".

Für die konkrete Vergabe der Hilfszahlungen wird die Regierung die Zustimmug der Grünen in der Folge nicht mehr benötigen. Die Grünen beteuern trotzdem, auf die verantwortungsvolle Vergabe der Gelder zu pochen. Nicht zuletzt den Kritikern in den eigenen Reihen versuchen die Grünen ihre ESM-Verhandlungen als Erfolg zu verkaufen. "Das Verhandlungsergebnis wird man in manchen Belangen erst retrospektiv realistisch bewertet werden können", gibt sich Georg Prack, Landessprecher der Wiener Grünen, im Gespräch mit derStandard.at diplomatisch.

Glawischnig noch tragbar?

Doch mit ihrem Ja zum ESM habe die Bundespartei die Basis schwer verärgert, sagt Hans Arsenovic, Sprecher der Wiener Grünen Wirtschaft. Jene Bedingungen, die beim letzten Bundeskongress für eine grüne Zustimmung zum ESM gestellt wurden, würden nicht erfüllt - allen voran die Vermögenssteuer. "Es wird ein Beschluss des Gremiums ignoriert", kritisiert Arsenovic. "Wir agieren schon wie eine richtige Partei." Ob unter diesen Umständen Glawischnig als Bundessprecherin noch tragbar ist? "Der Bundeskongress wählt im Herbst eine neue Liste für die Nationalratswahl. Jeder und jede der 400 Delegierten muss selbst entscheiden, wer auf diese Liste kommen soll", sagt Arsenovic.

Auch der grüne Wiener Landtagsabgeordnete Klaus Werner-Lobo sieht die Zustimmung zum ESM kritisch. "Ich hätte es schon mit einer Vermögenssteuer junktimiert. Es ist aber schwierig, in Verhandlungen von außen hineinzuschauen. Grundsätzlich finde ich es in Ordnung, dass man einen Kompromiss findet", sagt Werner-Lobo. Als "Riesenerfolg" bezeichnet er das Bekenntnis zu einer Finanztransaktionssteuer. "Problematisch" findet Werner-Lobo hingegen die Tatsache, dass die Regierung in Zukunft mit einfacher Mehrheit Beschlüsse über Maßnahmen des ESM fassen kann. Hier hätte er sich eine Zwei-Drittel-Materie gewünscht. Werner-Lobos Resümee: "Es gibt einen einheitlichen Beschluss des grünen Bundeskongresses. Wenn man diesen mit dem Ergebnis vergleicht, dann ist das schon eine Spur wenig."

Steinhauser: "Österreicher dürfen berechtigt Sorge haben"

Arsenovic fordert die grünen Nationalratsabgeordneten auf, noch einmal auf in sich zu gehen. "Ich würde nicht zustimmen", sagt er. Doch wie ein Rundruf unter den Abgeordneten zeigt, werden sie mit mehr oder weniger Bauchweh für den ESM stimmen. Justizsprecher Albert Steinhauser ist zwar kein ESM-Euphoriker, wird aber trotzdem dafür stimmen. Nach Abwägung der Argumente sei er zu diesem Schluss gekommen. "Ich glaube, die Zustimmung ist gerechtfertigt", so Steinhauser.

Es sei ihm aber bewusst, dass man nun in eine schwierige Phase trete. "Wir werden sehr genau schauen, unter welchen Bedingungen die Regierung die ESM-Gelder vergibt." Denn die Grünen seien weiterhin Oppositionspartei, und "mein Vertrauen in die Regierung ist bedingt". Den Grünen sei es allerdings zu verdanken, dass die Debatten über die Rettungsschirmvergaben künftig in einer kritischen Öffentlichkeit geführt werden müssten. In seinem Blog räumt Steinhauser ein: "Noch nie ist mir die Entscheidung über eine Abstimmung so schwer gefallen wie beim ESM." Und: "Es wäre wirtschaftspolitisch schon hochproblematisch, wenn diese Haftungen voll schlagend werden würden."

Gefragt, ob die Grünen nun tatsächlich darauf vertrauen können, dass sich die Regierung für eine Finanztransaktionssteuer einsetzen wird, sagt Steinhauser: "Wir haben gemeinsam mit den deutschen Grünen eine große Schlagkraft entwickelt. Ich bin überzeugt, dass das ein Kristallisationsprojekt sein wird." Wobei man in der Politik auch immer damit rechnen müsse, dass "Gegenwind aufziehen kann".

Bei einem Haftungsvolumen Österreichs von 19,5 Milliarden Euro dürften die Österreicher "berechtigt Sorge haben", so Steinhauser: "Die Grünen versprechen daher, ihre Verantwortung wahrzunehmen." Außerdem: "Es ist äußerst naiv zu denken, die Krise zieht einfach an uns vorbei, wenn wir nicht agieren."

Musiol: "Sicher nicht aus vollem Herzen"

"Sicher nicht aus vollem Herzen" wird Daniela Musiol, grüne Sprecherin für Familienpolitik, Demokratiepolitik und Verfassung, "nach derzeitigem Stand" für den ESM stimmen. Sie habe das Paket selbst mitverhandelt. "Wir haben viel erreicht, das Mitwirkungsrecht ist europaweit einzigartig und vorzeigbar", so Musiol. Auch die Aussicht auf eine Finanztransaktionssteuer verbucht sie als Erfolg. Dass Kritik auch aus den eigenen Reihen kommt, ist für sie "nachvollziehbar".

"Ja, sicher" wird Noch-Abgeordneter Alexander Van der Bellen für den ESM stimmen. Er habe das Paket erstens mitverhandelt, und zweitens brauche es einen Schutzschirm, um die Staaten in der Bredouille solidarisch zu unterstützen. "Aus Überzeugung" wird auch Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl für den ESM stimmen. Innerhalb der Partei habe es eingehende Diskussionen gegeben, aber: "Im Sinne der Verbesserung der wirtschaftliche und sozialen Lage in Europa stimme ich dafür."

Grünewald: "Volle Überzeugung"

Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald stimmt aus "voller Überzeugung" zu, weil es die Gesamtsituation erfordere. Ohne ESM würde es zu einer "maximalen Destabilisierung" kommen, so Grünewald - mit Rückwirkungen auf Österreich. Fraglich ist für ihn, ob der ESM ausreicht. FPÖ und BZÖ würden immer wieder kritisieren, dass alle Rechte an die EU abgegeben würden, tatsächlich aber könne das Parlament mitreden und Finanzministerin Maria Fekter vor wichtigen Entscheidungen "Wünsche mit auf den Weg geben", so Grünewald. Diese Maßnahmen würden ausreichen.

"Was soll die Frage überhaupt?", fragt Sozial- und SeniorInnensprecher Karl Öllinger. Er werde natürlich mitstimmen, er sei klar für den ESM, aber gegen den Fiskalpakt. Zu den kritischen Stimmen innerhalb der Grünen sagt er, dass von Anfang an klar gewesen sei, dass mit "dieser Regierung gewisse Forderungen" schwer umzusetzen seien.

Der Wiener Landessprecher Prack sieht die Zustimmung zum ESM als einen "Akt der Solidarität". Die Arbeit an der Bekämpfung der europäischen Krise habe jedoch erst begonnen. Die Bundesregierung müsse den Richtungswechsel, den sie in Teilen ihrer europapolitischen Ausrichtung auf Druck der Grünen vollzogen habe, nun auch konsequent verfolgen. (Katrin Burgstaller/Sarah Dyduch/Sebastian Pumberger, derStandard.at, 3.7.2012)