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13 von insgesamt 153 Verfahren, die der Presserat bis jetzt führte, betrafen Wolfgang Fellners "Österreich".

Foto: APA/Schneider

Wien - Schon "Krone"-Chef Hans Dichand ließ Mitglieder des Presserats wegen ihrer Entscheide gegen das Kleinformat auf Schadenersatz klagen und blitzte ab.. Nun hat die Mediengruppe Österreich nach einer Reihe von Verurteilungen durch den Presserat Klage gegen das Selbstkontrollorgan eingereicht. Ein entsprechender Schriftsatz langte vor kurzem bei Gericht ein. Die Klage soll offenbar darauf hinauslaufen, dass der Presserat künftig Artikel und Beiträge der Tageszeitung "Österreich" nicht mehr prüfen dürfen soll und Verurteilungen nicht mehr publik gemacht werden. Der Presserat wehrt sich gegen diese Vorgangsweise.

"Wenn diese Klage durchginge, würde das die Grundidee des Presserats aushebeln", sagte Presserat-Präsident Thomas Kralinger. "Erklärte Absicht war es, eine Organisation zu schaffen, die sich um die Einhaltung des Ehrenkodex für die österreichische Presse und die darin festgehaltenen Grundsätze für die publizistische Arbeit sowie um die Weiterentwicklung medienethischer Standards in diesem Land kümmert. Solche Standards haben wir etwa jüngst mit unseren Richtlinien zur Suizidberichterstattung oder auch den Richtlinien für Wirtschafts- und Finanzjournalismus entwickelt."

13 von 153 Verfahren betrafen "Österreich"

Die Mediengruppe Österreich, die bisher nicht Mitglied des Presserats ist, wurde in den vergangenen Monaten wiederholt wegen boulevardesker und unethischer Berichterstattung gerügt. 13 von insgesamt 153 Verfahren, die der Presserat seit seiner Installierung führte, betrafen "Österreich", wie Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Presserates, gegenüber derStandard.at erläutert. Fünf endeten mit einer Rüge. Senate des Presserats haben von sich aus sechs Verfahren eröffnet, eines davon betraf "Österreich". "Krone" und "Heute", ebenfalls bisher keine Mitglieder, kamen laut Presserat häufiger dran. Warzilek: "So gesehen kann man auch schwer von einer schiefen Optik sprechen."

Schließlich gehe es um die Einmahnung ethischer Standards und nicht darum, "Österreich" zu schaden. Dass ein Medium verbieten will, über Inhalte zu diskutieren, sei geradezu grotesk. Laut Warzilek gab es in Deutschland drei Prozesse, die nicht teilnehmende Medien gegen den dortigen Presserat angestrengt hatten. Alle endeten zugunsten des Presserates.

Wettbewerbsrecht

Die Tageszeitung Wolfgang Fellners hat dem Verein deshalb bereits zu Jahresbeginn mit Klage gedroht. Nun wurde diese Drohung wahr gemacht. "Österreich" stützt sich dabei auf das Wettbewerbsrecht, will unter anderem untersagen lassen, dass sich der Presserat behördenähnlich präsentiert und weiterhin "Österreich"-Berichte vom Presserat beurteilt werden. "Österreich" vertritt die Ansicht, dass sich im Presserat vor allem Konkurrenzmedien zusammengetan hätten und Entscheidungen vor diesem Hintergrund treffen würden.

"Österreich" begründet ihre Klage gegen den Presserat mit der "Verhinderung von pseudostaatlichen Rechteanmaßungen" durch das Selbstkontrollorgan. Der Presserat werde unter anderem vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) getragen, welcher "Österreich" trotz mehrmaliger Anfragen nicht als VÖZ-Mitglied zugelassen habe. Durch die "Anmaßung staatlicher Befugnisse" im Presserat verzerrten die im VÖZ und im Presserat vertretenen Zeitungen den Wettbewerb, so die Rechtsmeinung bei "Österreich". Und die Tätigkeit des Presserats sei auch nicht durch die in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschriebene Meinungsfreiheit gedeckt.

Keine Sanktionen

Presserat-Präsident Kralinger: "Die Zielsetzung des Presserats ist eine ideelle und in keiner Weise eine wirtschaftliche oder gar wettbewerbliche. Der Presserat ist auch keine isolierte österreichische Erfindung, derartige Institutionen gibt es in allen entwickelten Demokratien. 58 Prozent der Mitgliedsländer des Europarats verfügen über eine Medien-Selbstkontrolleinrichtung. Wir laden Wolfgang Fellner ein, über die Entscheidungen des Presserats mit uns zu diskutieren, aber die Meinungsäußerung darüber zu verbieten, ist sicher der falsche Weg." Für Fellner seien ja keinerlei Sanktionsverpflichtungen bei Presseratsentscheidungen verbunden. "Er muss nur die Meinungsäußerung erdulden. Jemand, der selbst alle Möglichkeiten eines Mediums nutzt, muss akzeptieren, dass über das, was berichtet wird, diskutiert wird."

"Absurd, Meinungsäußerung verbieten zu wollen"

Medienanwältin Maria Windhager, die den Presserat vertritt, sieht der "Österreich"-Klage gelassen entgegen. "Kritik an Presseratsentscheidungen ist jederzeit willkommen, aber es ist absurd, dem Presserat die Meinungsäußerung verbieten zu wollen." Der Presserat sei ein Organ, in dem Journalisten ihre Arbeit reflektieren. Die Senate des Presserats seien ausgewogen und überwiegend mit Journalisten besetzt und entschieden nicht nach dem Mediengesetz, sondern nach dem Ehrenkodex, Beschwerdeführer verzichteten auf den Rechtsweg vor den Mediengerichten. "Die medienethische Beurteilung ist eine andere als die medienrechtliche. Und es geht um die Autonomie der Medien. Das nützt der gesamten Branche, auch Wolfgang Fellner." Schließlich habe die presseratslose Zeit in den 2000er Jahren die Diskussion über mögliche staatliche Kontrollmechanismen befördert.

Branchen-Standards

Es gehe aber auch darum, der Branche Orientierung für große Geschichten à la Fritzl, Kampusch oder Skinhead-Affäre zu bieten, die zu medienethischen Diskussionen führen, so Windhager. "Derartige Diskussionen beleben und befruchten die Medienlandschaft", ist auch Kralinger überzeugt. "Wir wollen für die Branche allgemeingültige Standards entwickeln, im Bewusstsein, dass Journalismus Freiheit und Verantwortung bedeutet. Wenn die Journalisten in diesem Land selbstbewusst darauf hinweisen, dass unabhängige Medien ein wichtiges Element einer demokratischen Gesellschaft sind, dann muss aber auch klar sein, dass die Freiheit nicht grenzenlos ist. Selbstkontrolle ist dabei grundsätzlich besser als Fremdkontrolle."

Der Österreichische Presserat (presserat.at) ist im November 2010 nach acht Jahren Pause und selbstkontrolllose Zeit neu gegründet worden. Inzwischen wurden weit über 100 Fälle abgehandelt. Trägerverbände sind der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), die Journalistengewerkschaft, der Österreichische Zeitschriften- und Fachmedienverband (ÖZV), der Verband der Regionalmedien Österreichs (VRM), der Verein der Chefredakteure sowie der Presseclub Concordia. (APA, om, 3.7.2012)