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Blick auf die Altstadt von Trebinje vom Fluss Trebisnjica aus. Die Osmanen haben das schöne Stadtbild am stärksten geprägt.

Foto: AP/Emric

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Der Präsident der Republika Srpska, Dodik, und Serbiens Expräsident Tadic im Filmdorf von Kusturica (dritter von li.).

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Facebook-Protest gegen den Stein-Transport.

Foto: Trebnje za Petrinu
Grafik: STANDARD

Der grüne Caterpillar steht jetzt still in einem Steinhaufen. Als einige Bürger von Trebinje bemerkten, dass Bauarbeiter begannen, eine Mauer der ehemaligen k. u. k. Militäranlage Petrina abzureißen und Steine zu verladen, liefen sie den Berg hinauf und stellten sie zur Rede. Wohin sollen die Steine kommen? Für wen sind sie?

Die Antwort kam zögernd. Denn Emir Kusturica ist nicht nur der berühmteste Regisseur in der Region, sondern hat auch sehr gute Verbindungen zur Politik und zur serbisch-orthodoxen Kirche. Erst im Mai bekam er in Trebinje von Patriarch Irenej den "Heiligen Sava"-Orden für Verdienste um das serbische Volk verliehen.

Sauer auf Kusturica

Der Regisseur, der derzeit in Visegrad eine "Stein-Stadt" (Kamengrad) bauen lässt, um dort den Roman Die Brücke über die Drina von Ivo Andric zu verfilmen, hatte bereits vor einem halben Jahr beim Bürgermeister von Trebinje angefragt, ob er nicht Steine des alten Bahnhofs oder der Brücke, die unter dem Stausee liegt, für sein Projekt verwenden könnte. Doch die Bürger von Trebinje waren dagegen, dass die Brücke - die alle sieben Jahre, wenn der Staudamm gereinigt wird, auftaucht - nach Vis egrad gebracht werden soll.

Nun sind viele sauer, dass der Regisseur trotzdem die Bagger schickte. Bürgermeister Dobroslav Cuk beteuert, es sei auch für ihn eine "große Überraschung" gewesen, als am 14. Juni plötzlich die Baumaschinen auf der Festung auftauchten. "Ich bin sofort persönlich hinaufgefahren und habe das gestoppt. Kein einziger Stein wurde weggebracht", sagt er zum Standard. Cuk möchte aber nicht falsch verstanden werden. Denn an sich habe man keine positive Beziehung zu den österreichischen Militäranlagen. "Wir reden schließlich noch immer über eine Okkupationszeit", erklärt er. "Aber die Bürger haben das Gefühl, diese Festung gehört ihnen."

Protestbewegung

Das ist wohl nichts Neues. Neu ist aber, dass die Trebinjer aufmucken und ihren Freizeitraum verteidigen. Und es ist sicherlich eine Überraschung, dass gerade in der kleinen herzegowinischen Stadt eine Protestbewegung entstanden ist, die im ganzen Land diskutiert wird. Zunächst war es nur eine Wandergruppe, die gern nach Petrina zum Picknicken ging, die aufbegehrte. Dann kam Unterstützung aus Belgrad. Der Architekt Strahinja Zerajic, der aus Trebinje stammt, und ein paar andere junge Leute reisten aus der serbischen Hauptstadt an, stellten sich auf den alten Hauptplatz unter die schattenspendenden alten Platanen und sammelten Unterschriften für den Erhalt der Festung und dafür, dass sie unter Denkmalschutz gestellt werden sollte.

Ab nun ging es nicht mehr um ein paar Steine für einen berühmten Regisseur, sondern um ziviles Bewusstsein. Cuk räumt ein, dass ihn Kusturica vor ein paar Wochen angerufen und ihn gefragt habe, ob er Steine von einer eingestürzten alten Mauer haben könne. Er, Cuk, habe ihm darauf gesagt, dass er ganz persönlich nichts dagegen habe, dass aber das Denkmalamt in Banja Luka und die Stadtgemeinde eine Bewilligung geben müssten.

Cuk habe daraufhin gewartet, dass Kusturica auftauchen würde. Doch statt des Regisseurs kamen die Bagger. Und für den Bürgermeister begann der Ärger. Denn im Herbst finden in Bosnien-Herzegowina Lokalwahlen statt. Und Cuks Konkurrenten marschierten trotz der herzegowinischen Sommerhitze auch auf die Festung Petrina, um sich vor den Kameras mit den Demonstranten zu solidarisieren. "Die haben aber nicht mit einem weisen Mann gerechnet. Ich war nämlich der Erste, der oben war", sagt der Bürgermeister. Und Kusturica hat er bereits angerufen. "Gib auf!", hat er dem Regisseur gesagt.

Erbe soll erhalten bleiben

Cuk weiß wohl, dass die Bürger jetzt noch zorniger sind, weil sich Kusturica in der Zeitung "Vecernje novosti" über das "freisinnige Volk der Herzegowina", das in Steine verliebt sei, lustig gemacht hat. Der Regisseur versuchte die Demonstranten in Trebinje quasi als Verteidiger der österreichischen Okkupatoren darzustellen, er verwies auf den Ersten Weltkrieg und Gavrilo Princip und konstatierte, dass die Österreicher während der Okkupationszeit sicher nichts gebaut hätten, was schützenswert wäre.

Den Leuten rund um den Architekten Zerajic geht es aber nicht um die Verteidigung der Okkupationszeit, sie haben auch nichts gegen Kusturica. Sie wollen bloß, dass das architektonische Erbe erhalten bleibt. Dass es gerade ausgewanderte Trebinjer sind, die sich in die Öffentlichkeit trauen, ist kein Wunder. Die Trebinjer selbst wollen lieber anonym bleiben, wenn es um die Festung geht. Viele fürchten hier um ihre Jobs, wenn sie aufmucken. Die Verbindungen zwischen Parteien, Verwaltung, aber auch Privatwirtschaft sind in Bosnien-Herzegowina wie ein dichtes Netz, das tragen kann, aus dem man aber auch leicht herausfallen kann.

In den vergangenen Wochen formierte sich allerdings in mehreren bosnischen Städten Widerstand. In Banja Luka etwa kam es zu Protesten, weil ein Park verbaut werden soll. Auch in Tuzla trafen sich kürzlich Aktivisten aus dem ganzen Land, um über "das öffentliche Gut" zu debattieren.

Bastion vor der Grenze

Petrina steht zurzeit nur auf einer provisorischen Denkmalschutzliste. Doch nicht nur die "freisinnigen Herzegowiner", sondern auch die Unesco will sich nun darum kümmern. Petrina ist eine von fünf militärischen Festungen, die während der österreichischen Besatzungszeit zwischen 1883 und 1887 in Trebinje gebaut wurden. Die Stadt war die letzte österreichische Bastion vor der montenegrinischen Grenze. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 3.7.2012)