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In der Altstadt von Porto (Bild) konnte man bisher Wohnungen mit vier bis fünf Zimmern um 50 Euro im Monat mieten - damit dürfte bald Schluss sein.

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Der portugiesische Bausektor (hier eine Szene aus Lissabon) leidet verschärft an der Rezession, ...

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... Investitionen in die tausenden desolaten Wohnhäuser sollen Abhilfe schaffen.

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Portugal steckt tief in der Krise. 78 Milliarden Euro bekam das Land von EU und IWF, für deren Rückzahlung nun erst einmal drastisch gespart werden muss. Das warf das Land in die Rezession, und diese verschärft nun die ohnehin äußerst angespannte Situation der Baubranche, die unter den Ausgabenkürzungen des Staats arg zu leiden hat. Dies, ohne vorher - wie beim spanischen Nachbarn - einen extremen Bauboom samt geplatzter Immobilienblase erlebt zu haben.

Bausektor bricht ein

"Wir erwarten heuer 13.000 Firmenpleiten, was den Sektor insgesamt 140.000 Jobs kosten könnte", sagte Manuel Reis Campos, Präsident der nationalen Bau- und Immobilienverbands CPCI, dieser Tage.

2011 beschäftigte die gesamte Baubranche - sie ist der größte Arbeitgeber in Portugal - 670.000 Menschen. 2008 waren es mit 830.000 noch wesentlich mehr. "Im letzten Jahr verlor der Sektor 84.000 Arbeitskräfte. Und allein in den ersten vier Monaten 2012 mussten schon 38.000 abgebaut werden - mehr, als wir befürchtet hatten."

Massenhaft desolate Wohnungen

Dabei gäbe es genug zu tun: 1,8 Millionen Wohnungen und Häuser müssten renoviert werden, sagte Reis Campos vor einem Monat der Nachrichtenagentur Reuters. Er sieht diesen Markt 28 Milliarden Euro schwer. Der Baubranchenverband Aecops schätzte vor einem Jahr sogar ein potenzielles Sanierungsvolumen von rund 74 Milliarden Euro.

Potenzial, das bisher nicht gehoben wurde. Tausende Häuser verfallen, weil die Besitzer jahrzehntelang die Mieten nicht anheben konnten. Für viele Mieter war das natürlich eine gute Sache: Noch heute sind Altmietverträge mit Mietzinsen von nur wenigen Euro im Monat für eine Vier- oder Fünf-Zimmer-Wohnung eher die Regel als die Ausnahme - auch mitten in den Innenstädten Lissabons oder Portos.

Ausweichen auf Eigentum

Die Situation brachte aber auch gravierende Nachteile mit sich: Wer nicht mehr in diesen desolaten Häusern wohnen wollte, musste mangels neuer Mietwohnungen auf den Eigentumssektor ausweichen - was einerseits die Verschuldung der Haushalte enorm in die Höhe schnellen ließ. Andererseits stehen heute in ganz Portugal über 700.000 Wohnungen und Häuser leer.

Ein Vierteljahrhundert wurde seitens der Politik darüber diskutiert, ob man hier nicht endlich eingreifen sollte - und nun dürfte es tatsächlich bald so weit sein. Ein neues Mietengesetz, das gravierende Eingriffe in Altmietverträge erlaubt und auch auf Druck von EU und IWF in die Wege geleitet wurde, wird derzeit gerade finalisiert. Es könnte im Oktober oder Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.

Eingriffe in Altmietverträge

Freilich gibt es auch Proteste dagegen. Mieterverbände beklagen lautstark einen Rückschritt in der Mietrechtsgesetzgebung und sehen außerdem verfassungsrechtliche Bedenken. Präsident Anibal Cavaco Silva hat versprochen, das Gesetz diesbezüglich vor seiner Unterschrift genau zu prüfen.

Kommt das Gesetz, drohen tausenden Mietern saftige Mietzinserhöhungen. Die Regierung hat versprochen, mit Augenmaß vorzugehen; die ärmsten Familien sollen nur geringfügige Mietsteigerungen zu erwarten haben. Naturgemäß ist das für sie aber ein schwacher Trost.

Stärkung für Arbeitsmarkt

"Es gibt keine perfekten Gesetze", sagte die für Raumordnung und Regionalentwicklung zuständige Ministerin Assunção Cristas beim Start der Parlamentsdebatte im Februar. Sie erinnerte aber gleichzeitig daran, dass es in Portugal 255.000 vor 1990 abgeschlossene Mietverträge gebe, deren Mieten eingefroren seien. Das neue Gesetz werde "den Mieten-Markt stärken", gab sie sich zuversichtlich.

Von einer Stärkung des Mieten-Marktes sollte wiederum nicht zuletzt auch der Arbeitsmarkt profitieren, erwarten weitere Befürworter der neuen Regelungen. Für die Industrie kann die Reform ohnehin nicht schnell genug kommen. Reis Campos weist auf die 38 Milliarden Euro an Bankschulden hin, auf denen die Baufirmen sitzen; dieses Geld könnte für die Kreditinstitute verloren sein, davor warnt er ausdrücklich: "Die Kreditausfälle steigen rasend schnell; schneller als erwartet. Genauso wie die Insolvenzen."

Für zahlreiche Firmen könnte es deshalb schon zu spät sein, fürchtet Reis Campos. Während die Regierung für nächstes Jahr eine Arbeitslosenrate von 16 Prozent erwartet, sieht der oberste Vertreter der Baubranche schon bald eine Quote von um die 20 Prozent als realistisch an. (map, derStandard.at, 4.7.2012)