Das Schnitzel muss runter, auch bei über 30 Grad im Schatten.

Foto: derStandard.at/Johanna Scholz

Europäischer Hitzerekord in Österreich dieser Tage. Wenn sich wer fragt, warum in den anderen Ländern niemand vor Neid platzt: Österreich liegt nicht am Meer. Und Hitzerekord in Österreich während einer Fußball- EM war dann zusätzlich demütigend, weil keinerlei und zwar wirklich gar keine Aussicht auf fahnen- und cocktailschwenkendes Herumkurven auf einem Schiff in irgendeiner herrlichen Brandung in Aussicht war, um etwa die eigene Mannschaft zu feiern.

Hierzulande begegneten wir der Hitze also tagsüber als Sardinen in einem öffentlichen Bad, am Abend wurde dann vor der Glotze im erträglich temperierten Keller gecampt und halt zu irgendeiner Mannschaft des Kontinents gehalten. Bei uns ging das dann atmosphärisch insofern komplett in die Hose, weil mein Sohn ein Italienleiberl trug, als einziger, auf dass er im Laufe des Abends immer weniger stolz wurde und bei Spielendstand dann hasste. Man ist schon gerne auf der Seite der Sieger, auch oder gerade, wenn man erst vier ist.

Was runter muss, muss runter

Kurz ist man geneigt, die Temperaturen positiv zu sehen, vor allem, wenn man inmitten der vielen üppigen Körper im Wiener Kongressbad gart: Bei der Hitze kann bestimmt niemand etwas essen. Das Wetter leistet da wohl gerade einen wichtigen Beitrag zur Volksgesundheit. Denkt man kurz. Und dann sieht man sie, die Pommes und die Schnitzel, die geschlemmt werden mit reiner Willenskraft natürlich, aber was runter muss, muss runter.

Befremdend, wenn man selber seit Tagen nur an einem und zwar immer demselben Salatblatt lutschen kann. Dann hörte ich die Theorie dazu: Fleisch essen bei jeder Temperatur zeugt von Stärke Mut und Kraft. Zumindest bei der Klientel im Wiener Kongressbad. Und stark sein ist sexy, auch wenn der Wanst schon außer Rand und Band ist. Diese Schnitzelorgien sind also Balzrituale. Der unmäßige Fraß als gelebte Anbahnungskultur.

Ein Glück, dass sich die Wiener seit je her von Außen durchmischen, sonst wären sie schon ausgestorben durch kollektiven Schnitzelselbstmord. Ich versuche mich jetzt anzupassen und probiere mal ein Pommes Frites. Bis Ende der Woche hab ich‘s unten, bestimmt. (Heidi List, derStandard.at, 02.07.2012)