Kiew/Köln - In der Gruppenphase hat Italien den Spaniern mit einem 3-5-2-System ein verdientes 1:1 abgetrotzt. Auch aufgrund der außergewöhnlichen Formation boten sich dem Welt- und Europameister nicht die Räume im Zentrum, die er für sein Offensivspiel benötigt. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Trainer Cesare Prandelli diesmal auf ein 4-4-2-System mit Raute zurückgreift. Wie Deutschland schmerzhaft zu spüren bekam, agiert die italienische Elf in dieser Formation ebenso enorm kompakt. Zudem dürfte Prandelli damit einem Schachzug seines Gegenübers, Vicente del Bosque, vorweggreifen.

Mit ihrem 4-3-3-System setzen die Spanier auf absolute Spielkontrolle. Statt des großen Spektakels steht für sie Balance an erster Stelle. Durch das klare Grundgerüst, das vor allem die beiden "Sechser" Xabi Alonso und Sergio Busquets stellen, ist das Spiel der Iberer trotz unzähliger Positionswechsel stabil. Bei Ballbesitz spielen sie ihr berühmtes "Tiki-Taka".

Doch Italien weiß, wie man die spanische Passmaschine aus dem Tritt bringt: Aggressiv pressen, konsequent aufschieben und die Spanier durch ein gezieltes Anlaufen dazu zwingen, das Spiel über die Außen aufzuziehen. Spanien wird sich also etwas anderes einfallen lassen müssen.

Anfällig ist die Squadra Azzurra vor allem auf den Flügeln. Die Außenverteidiger haben kein europäisches Topniveau, zudem spielt Italien ohne klassische Flügelspieler, sondern mit "Achtern" auf den Halbpositionen. Deshalb wird del Bosque wahrscheinlich zwei seiner drei Stürmer recht weit auf die Außen ziehen. Dort sollen sie mit den offensiven Außenverteidigern für Überzahlsituationen sorgen.

Um dieser zusätzlichen Breite im Angriffsdrittel entgegenzuwirken und trotzdem im Zentrum kompakt zu bleiben, wird Prandelli wohl eine Viererkette sowie eine Dreierreihe davor aufbieten.

Ein entscheidender Punkt wird sein, wie das aggressives Gegenpressing der Furia Roja funktioniert. Die italienische Mannschaft hat mehrfach gezeigt, dass sie bei gegnerischen Ballverlusten enorm schnell umschalten kann. In der Tiefe agiert Spanien in diesen Momenten häufig Mann gegen Mann. Gelingt es den Italienern, umgehend mehrere Anspielstationen in der Vertikalen bereitzustellen, könnten sie durch ihre genialen Passspieler von der eigentlichen Stärke der Spanier profitieren.

Insbesondere Italiens Regisseur Andrea Pirlo spielt die ansatzlosen Bälle in die Spitze wie kaum ein anderer. Stürmer Antonio Cassano wird zudem immer wieder auf die Flügel ausweichen, die auch von den Spaniern nicht konsequent abgedeckt sind. Spielentscheidend wird somit ebenfalls sein, wie der Titelverteidiger die italienischen Angriffswege zustellt, ohne zu viel an Offensivkraft einzubüßen. (SID, 01.07.2012)