Manche nennen es das Afghanistan Westafrikas, andere sprechen von einem neuen Herzen der Finsternis: Die Rede ist vom Norden Malis, der nun endgültig in islamistische Hände gefallen zu sein scheint. Freitag warfen Kämpfer der Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM) ihre ehemaligen Alliierten, die Tuareg, aus Timbuktu. Da die Zentralregierung in Bamako nach einem Putsch im März dem Auseinanderfallen Malis nichts entgegensetzen kann, ist die Region damit uneingeschränkt zur Operationszone für dunkle Kräfte aller Art geworden.

Die USA sehen dort einen Rückzugsraum für die gefährlichsten Terrorgruppen Afrikas im Entstehen: die AQIM, die nigerianische Boko Haram und die somalischen Al-Shabab-Milizen. Der Kommandeur des amerikanischen Afrika-Kommandos, General Carter Ham, erklärte unlängst, diese Organisationen teilten Ressourcen und ließen dort gemeinsam Kämpfer von pakistanischen Jihadis ausbilden.

Mindestens so viel, wenn nicht mehr zählen neben den religiös-ideologischen Motiven dieser Gruppen auch ihre geschäftlichen: Die Region war schon immer ein Schmuggler-Eldorado. Zuletzt hat sie sich als Haupttransitroute für südamerikanisches Kokain nach Europa etabliert. Daneben blüht eine einträgliche Entführungsindustrie. Dieser brandgefährliche Mix aus Terrorismus und Kriminalität hat das Potenzial, die gesamte Region zu destabilisieren. Europa sollte - auch aus Eigeninteresse - nach Mali sehen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 30.6.2012)