Brüssel - Die Eurogruppe soll bis zu ihrer nächsten planmäßigen Tagung am 9. Juli die Beschlüsse des Euro-Gipfels von Freitagfrüh zur Schaffung einer Bankenaufsicht und zur Unterstützung bedrängter Länder umsetzen. Das geht aus der Abschlusserklärung des Euro-Gipfels hervor. In dem Papier heißt es: "Wenn ein effizienter einheitlicher Überwachungsmechanismus für Banken in der Eurozone geschaffen ist, der die EZB einschließt, könnte der ESM (Europäischer Stabilisierungsmechanismus, Anm.) nach einer geordneten Entscheidung die Möglichkeit haben, Banken direkt zu rekapitalisieren."

Das war vor allem Spanien ein Anliegen. Es sei besonders wichtig, den "Teufelskreislauf zwischen Banken und Staaten zu unterbrechen", hieß es in der Gipfelerklärung. Die EU-Kommission werde "in Kürze" Vorschläge für einen einheitlichen Banken-Überwachungsmechanismus vorlegen.

Die direkte Rekapitalisierung von Banken über den ESM sei an "angemessene Bedingungen" geknüpft, darunter Übereinstimmung mit Staatsbeihilfenregeln. Sie sollen speziell auf Institutionen, Sektoren oder auf die ganze Wirtschaft zugeschnitten sein und in einem "Memorandum of Understanding" formalisiert werden, heißt es in dem Papier. Die Eurogruppe werde auch die Lage im Finanzsektor Irlands prüfen im Hinblick auf eine weitere Verbesserung der Nachhaltigkeit des Anpassungsprogrammes.

Finanzielle Stabilität der Eurozone garantieren

Zu den von Italien verlangten Stützungskäufen für Anleihen über die Euro-Rettungsschirme EFSF und ESM heißt es in der Gipfelerklärung: "Wir bekräftigen unser starkes Engagement zu tun, was notwendig ist, um die finanzielle Stabilität der Eurozone zu garantieren, insbesondere durch Verwendung der bestehenden EFSF-/ESM-Instrumente in einer flexiblen und effizienten Art und Weise, um die Märkte für Mitgliedsstaaten zu stabilisieren."

Im Gegenzug müssen sich die Länder verpflichten, budgetäre und wirtschaftspolitische Empfehlungen der EU im "Europäischen Semester" oder dem Stabilitätspakt zu achten. Das soll in einem eigenen "Memorandum of Understanding" festgehalten werden.

Die Bankenrekapitalisierung für Spanien werde vom derzeitigen Euro-Rettungsschirm EFSF kommen, bis der ESM verfügbar sei, betonte der Gipfel. Danach könnten die Hilfen auf den ESM übertragen werden. Ein "Memorandum of Understanding" für die Banken-Finanzhilfe an Spanien sollte rasch abgeschlossen werden.

Wortlaut der Gipfelerklärung

  • Wir bekräftigen, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen. Die Kommission wird in Kürze auf der Grundlage von Artikel 127 Absatz 6 Vorschläge für einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus unterbreiten. Wir ersuchen den Rat, diese Vorschläge dringlich bis Ende 2012 zu prüfen. Sobald unter Einbeziehung der EZB ein wirksamer einheitlicher Aufsichtsmechanismus für Banken des Euro-Währungsgebiets eingerichtet worden ist, hätte der ESM nach einem ordentlichen Beschluss die Möglichkeit, Banken direkt zu rekapitalisieren. Dies würde an angemessene Auflagen geknüpft, darunter die Einhaltung der Vorschriften über staatliche Beihilfen, die institutsspezifischer, sektorspezifischer oder gesamtwirtschaftlicher Natur sein sollten und in einer Vereinbarung (MoU) festgeschrieben würden. Die Euro-Gruppe wird die Lage des irischen Finanzsektors im Hinblick auf eine weitere Verbesserung der Nachhaltigkeit des gut funktionierenden Anpassungsprogramms prüfen. Vergleichbare Fälle werden gleich behandelt.
  • Wir fordern den raschen Abschluss der Vereinbarung (MoU), die zur finanziellen Unterstützung Spaniens zur Rekapitalisierung des Bankensektors in Spanien gehört. Wir bekräftigen, dass die finanzielle Unterstützung über die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) bereitgestellt wird, bis der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) zur Verfügung steht, und dass sie dann auf den ESM übertragen wird, ohne den Status der Vorrangigkeit zu erhalten.
  • Wir bekräftigen, dass wir nachdrücklich dafür eintreten, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Finanzstabilität im Euro-Währungsgebiet sicherzustellen, insbesondere durch flexible und effiziente Nutzung der vorhandenen EFSF/ESM-Instrumente, um die Märkte für die Mitgliedstaaten zu stabilisieren, die im Rahmen des Europäischen Semesters, des Stabilitäts- und Wachstumspakts bzw. des Verfahrens bei einem übermäßigen Ungleichgewicht ihre länderspezifischen Empfehlungen und ihre anderen Verpflichtungen einschließlich ihrer jeweiligen Fristvorgaben einhalten. Diese Auflagen sollten in einer Vereinbarung (MoU) niedergelegt werden. Wir begrüßen, dass die EZB sich damit einverstanden erklärt hat, als Vertreter der EFSF/des ESM bei der wirksamen und effizienten Durchführung von Markttransaktionen zu fungieren.
  • Wir beauftragen die Euro-Gruppe, diese Beschlüsse bis zum 9. Juli 2012 umzusetzen. 

Die Beschlüsse

Hilfe für Staaten: Die bereits beschlossenen Instrumente der Krisenfonds EFSF und ESM zur Rettung von pleitebedrohten Staaten sollen "flexibler und effizienter" genutzt werden. Das Ziel lautet, für kriselnde Staaten die Zinsen bei der Schuldenaufnahme zu drücken.

Voraussetzung: Allerdings soll dies nur für solche Länder gelten, die reform- und sparwillig sind, sprich: Die die haushaltspolitischen EU-Vorgaben inklusive Fristen sowie die Regeln des Euro-Stabilitäts- und Wachstumspaktes einhalten. Diese Auflagen sollten in einer Vereinbarung ("Memorandum") niedergelegt werden.

Instrumente: Laut EU-Diplomaten sind damit all die Instrumente gemeint, die bereits beschlossen sind, in der Praxis aber noch nie angewendet wurden. Es handelt sich dabei um den Kauf von Staatsanleihen kriselnder Länder aus erster Hand (Primärmarkt) sowie von Investoren (Sekundärmarkt). Daneben geht es um vorbeugende Kredite des Rettungsfonds für pleitebedrohte Staaten. Auch die stärkere Schlagkraft des EFSF gehört dazu. Das verbliebene Kreditvolumen von rund 250 Milliarden Euro kann mit Kredithebeln um etwa das Dreifache gesteigert werden. "Es ist genug Geld da", sagte ein EU-Diplomat.

Hilfe für Banken

Bankenaufsicht: Für die Banken im Euroraum soll es eine einheitliche Aufsicht "unter Einbeziehung" der Europäischen Zentralbank (EZB) geben. Die EZB werde "Aufgaben bei dieser Aufsicht übernehmen", sagte EZB-Präsident Mario Draghi in Brüssel. Kanzlerin Angela Merkel spricht von einer "Superaufsichtsbehörde". Als Zeitplan sieht der Gipfel vor, dass die EU-Kommission "in Kürze" Vorschläge dafür macht und der Rat bis Jahresende darüber entscheidet.

Banken: Sobald die neue Aufsicht steht, soll der neue Krisenfonds ESM die Möglichkeit bekommen, an marode Banken direkt Kredite zu verleihen.

Auflagen: Diese Kredite für die Banken würden an "angemessene Auflagen" geknüpft, heißt es in der Gipfelerklärung. Der Text nennt als Auflagen die Einhaltung der EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen, die sowohl Banken, den Bankensektor und die gesamte Wirtschaft betreffen. Diese würden in einer Vereinbarung ("Memorandum of Understanding") festgeschrieben. EZB-Präsident Mario Draghi spricht von einer "strikten Konditionalität".

Nachbesserung: Der Gipfel stellt Irland, das bereits ein Rettungspaket von 85 Mrd. Euro erhält, Nachbesserungen bei den Spar- und Reformauflagen in Aussicht. Ein Großteil der Hilfen für Dublin sind für den Bankensektor vorgesehen. "Vergleichbare Fälle werden gleich behandelt", so die Erklärung.

Spanien: Spanien soll Unterstützung aus dem laufenden Rettungsfonds EFSF erhalten. Diese Hilfe werde auf seinen Nachfolger, den Krisenfonds ESM übertragen, sobald dieser bereitstehe. Der ESM muss in einigen Ländern noch gebilligt (ratifiziert) werden. Dabei soll das Prinzip der Vorrangigkeit nicht erhalten werden. Das bedeutet: Diese Forderungen des ESM hätten ausnahmsweise keinen Vorrang vor anderen Gläubigern. Spanien, das von den Euro-Partnern bis zu 100 Mrd. Euro bekommen soll, hatte dies verlangt. Madrid fürchtet, dass sonst private Investoren abgeschreckt werden könnten. (APA, 29.6.2012)