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Die Verhandlungen dauerten die ganze Nacht lang.

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Freitagfrüh einigten sich die Vertreter der Eurozone darauf, dass Spanien und Italien Hilfe über die Krisenfonds EFSF und ESM erhalten können.

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Angela Merkel diskutiert mit Italiens Premier Mario Monti.

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Gewinner? Verlierer? Gibt es nicht, sagt Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. In Deutschland wird das naturgemäß vielfach anders gesehen. (Im Bild: Angela Merkel zwischen EZB-Chef Mario Draghi und Mario Monti)

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Grafik: APA

Brüssel - Durchbruch nach einem 13 Stunden langen Nervenkrieg: Auf Druck Italiens und Spaniens hat der EU-Gipfel am Freitag in Brüssel Nothilfen zur Stützung von Euro-Wackelkandidaten beschlossen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel lenkte nach hartem Ringen ein und kam den Krisenländern entgegen. Diese sollen künftig leichter auf den Euro-Rettungsfonds zugreifen können - und dabei weniger Auflagen erfüllen müssen. Der Rettungsfonds soll zudem Banken aus hoch verschuldeten Ländern direkt Hilfen gewähren und damit deren Staatshaushalte entlasten. Im Gegenzug stimmten Spanien und Italien nach anfänglicher Blockade einem Konjunkturprogramm von 120 Mrd. Euro zu.

Die Einigung gelang nach einer turbulenten Nachtsitzung. Die unter Druck der Finanzmärkte stehenden Länder Spanien und Italien pokerten hoch. Merkel kam ihren Widersachern, Italiens Premier Mario Monti und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, entgegen. In einem anderen Punkt blieb Merkel hart: Nach ihrem klaren Nein tauchen gemeinsame Anleihen (Eurobonds) nicht im Kommunique des Gipfels auf.

"Keine Leistung ohne Gegenleistung"

Die deutsche Kanzlerin verteidigte die Beschlüsse: "Wir sind unserer Philosophie 'Keine Leistung ohne Gegenleistung' treu geblieben", sagte Merkel am Freitag bei der Ankunft zur zweiten Gipfelrunde. "Insofern bleiben wir also vollkommen in unserem bisherigen Schema: Leistung, Gegenleistung, Konditionalität und Kontrolle." Merkel musste am frühen Nachmittag nach Berlin zurückreisen, um an der Abstimmung über den Fiskalpakt und den Rettungsfonds ESM im deutschen Bundestag teilzunehmen.

Laut Gipfelerklärung einigten sich die Regierungschefs darauf, die bestehenden Instrumente der Hilfsfonds EFSF und ESM "flexibel" zu nutzen, um die Staatsanleihenmärkte zu stabilisieren. Italien und Spanien leiden derzeit unter hohen Zinsen und haben akute Schwierigkeiten, sich frisches Geld an den Märkten zu besorgen. "Wir bekräftigen, dass es von ausschlaggebender Bedeutung ist, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen", hieß es in der Erklärung. Ob dies ausreichen wird, ist zumindest für Mario Monti noch nicht klar. Italien könnte in Zukunft zur Beantragung von Hilfen aus den europäischen Rettungsfonds gezwungen sein, um die hohen Risikoaufschläge auf seine Staatsanleihen zu senken. Momentan beabsichtige er dies aber nicht, sagte Monti in Brüssel.

Keine zusätzlichen Sparprogramme

Länder mit guter Haushaltsführung können vom Sommer an - ohne zusätzliche Sparprogramme - Unterstützung aus den Rettungsschirmen EFSF und ESM erhalten, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Sie müssen dafür lediglich den Budgetempfehlungen der EU-Kommission folgen. Details sollen die Euro-Finanzminister bei ihrem nächsten Treffen am 9. Juli festlegen.

Der Krisenfonds ESM soll Banken künftig direkt unterstützen dürfen. Bisher war das laut ESM-Vertrag nicht möglich, sondern das Geld sollte an die Regierung des jeweiligen Landes überwiesen werden. Das würde die Schulden der Staaten erhöhen, weswegen Italien und Spanien dagegen protestiert hatten. Voraussetzung dafür ist aber laut Erklärung, dass vorher eine einheitliche Bankenaufsicht in der Eurozone geschaffen wird, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) eine zentrale Rolle spielen soll. Merkel sprach von einer "Superaufsichtsbehörde" für Europas Banken.

Auf der Agenda stand am Freitag unter anderem die Gewalt in Syrien. Auch über das Mandat des luxemburgischen Regierungschefs Jean-Claude Juncker als Vorsitzender der Eurogruppe sollte ursprünglich entschieden werden. Die Entscheidung wurde allerdings laut Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann "auf die nächsten Tage" verschoben. Juncker hat indes eine Verlängerung seines Postens als Vorsitzender der Eurogruppe abgelehnt. Die Staats- und Regierungschefs der anderen 16 Staaten mit Euro-Währung seien nicht bereit gewesen, den Luxemburger Notenbankpräsidenten Yves Mersch zum Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank zu ernennen, sagte Juncker am Freitag in Brüssel. Ohne die Ernennung Merschs werde aber auch er nicht an der Spitze der Eurogruppe weitermachen.

"Keine Sieger und Besiegten"

Juncker zeigte sich mit dem Gipfelergebnis zufrieden. "Es geht hier nicht um Erpressen, es geht nicht um Sieger, Besiegte, Gewinner, Verlierer, wir bemühen uns hier gemeinsam", sagte er. Ein weiterer Teil des Notpakets kommt Spanien zugute. Das Land hat beim EFSF bereits europäische Finanzhilfen für seine angeschlagenen Banken beantragt - im Gespräch ist eine Summe von bis zu 100 Mrd. Euro. Die Chefs vereinbarten, dass - wenn diese später auf den ESM übertragen werden - der neue Krisenfonds ESM in bestimmten Fällen auf seinen Status als "bevorzugter Gläubiger" verzichtet. Bei diesem Sonderstatus würde der Krisenfonds bei einer Pleite bevorzugt bedient - solche Regelungen schrecken private Investoren ab.

Der Gipfel einigte sich darauf, an der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion weiterzuarbeiten. Grundlage war ein Bericht von EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy. "Wir haben uns auf das weitere Verfahren geeinigt", sagte Van Rompuy in der Nacht. Ein erster Zwischenbericht soll bis Oktober vorgelegt werden. Teile des Berichts wie Forderungen nach einem Machtverzicht der Mitgliedsstaaten und die langfristige Vergemeinschaftung der Schulden hatten erheblichen Widerspruch vor allem aus Deutschland hervorgerufen.

Der französische Staatspräsident Francois Hollande erwartet auch die Einführung einer Finanzsteuer noch im laufenden Jahr. Das sagte der Sozialist am Freitag in Brüssel. Nachdem eine Lösung im Kreis aller 27 EU-Staaten gescheitert war, gehen nun mindestens neun Länder in einer kleinen Gruppe voran, darunter Deutschland, Frankreich und Österreich.

Investoren erleichtert

Die Märkte reagierten auf die Schnellmaßnahmen positiv: Die Zinsen an den Anleihemärkten gingen in Freitagfrüh deutlich zurück, die Börsen waren weltweit im Plus und auch der Euro profitierte. Zeitweise stieg die Gemeinschaftswährung wieder über die Marke von 1,26 Dollar. Der deutsche Leitindex Dax kletterte am Vormittag um über zwei Prozent ins Plus. Zuvor hatten die Börsen in Asien nach dem nächtlichen Verhandlungsmarathon für gute Vorgaben gesorgt. In Tokio stand ein Plus von 1,5 Prozent zu Buche. Der ATX war zu Mittag knapp 2,2 Prozent im Plus.

Die Staatsanleihen der angeschlagenen Euroländer Spanien und Italien reagierten mit einem massiven Rückgang der Zinssätze. In Madrid sank die Rendite für richtungsweisende Anleihen mit der Laufzeit von zehn Jahren im Vormittagshandel um 0,54 Prozentpunkte auf 6,31 Prozent. Am Vortag stand der Zinssatz noch knapp unter der Marke von sieben Prozent und damit auf einem Niveau, das die Staatsfinanzierung auf lange Sicht kaum mehr möglich macht.

Eine starke Entspannung der Lage zeigte sich auch bei den Staatsanleihen in Italien. Hier sank die Rendite der zehnjährigen Anleihen in der Früh deutlich unter die Marke von sechs Prozent und damit auf ein etwas gemäßigteres Niveau. Zuletzt gab der Zinssatz um 0,42 Punkte auf 5,74 Prozent nach. Geringere Zinskosten entlasten die angespannten Budgets in den Krisenländern. (APA, 29.6.2012)