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Der Horror Deutschlands lässt sich herzen: Mario Balotelli.

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Und Deutschland muss schon wieder ohne Titel im Gepäck nach Hause fahren.

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Warschau - Es war keine leere Drohung. Italiens Fußball ist in seinen skandalösen Phasen besonders gefährlich. Die Truppe von Cesare Prandelli präsentierte sich auch gegen Deutschland als verschworene, nervenstarke Einheit. Lohn ist das Endspiel gegen Spanien, die Chance auf den zweiten EM-Titel nach 1968.

Prandellis Kollege Joachim Löw hatte zunächst dem Maulwurf keine Chance gelassen, die Aufstellung erst im letzten Moment verlautbart und dabei großen Respekt vor der Squadra offenbart. Er brachte als Rezept gegen Italiens Spielmacher Andrea Pirlo mit Toni Kroos einen dritten "Sechser" neben dem leicht blessierten Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira, vertraute aber wieder auf die Torjäger-Qualitäten von Mario Gomez und den robusten Spielwitz von Lukas Podolski.

Prandelli hielt eisern an der offensiven Einsergarnitur mit Antonio Cassano und Mario Balotelli fest. Wie eindrucksvoll der 21-Jährige das trotz der gegen England vergebenen Chancen in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigen würde, konnte selbst der kluge Lombarde nicht ahnen. Zumal die Deutschen nach kurzem Abtasten dort fortsetzten, wo sie eine Woche zuvor beim 4:2 gegen Griechenland aufgehört hatten.

Schon nach fünf Minuten musste Pirlo nach einem Versuch des aufgerückten Verteidigers Mats Hummels mit angelegtem Arm vor der Linie retten. Wenig später passierte Andrea Barzagli nach Hereingabe von Jerome Boateng und zu kurzer Abwehr von Gianluigi Buffon beinahe ein Eigentor (12.), bei einem Schuss von Kroos reagierte Italiens Stargoalie dann deutlich besser (15.).

Die deutsche Führung schien in der Luft zu liegen, aber im Hochgefühl augenscheinlicher Überlegenheit und der scheinbar gelungenen Isolierung Pirlos braute sich das Unheil zusammen. Erst prüften noch der starke Deutschitaliener Riccardo Montolivo (17.) und Cassano (18.) Deutschlands Schlussmann Manuel Neuer mit Weitschüssen. Dann bediente der eben nicht aus dem Spiel zu nehmende Pirlo Cassano, der Hummels stehen ließ, zur Mitte flankte und dort Balotelli fand, der, von Holger Badstuber bewundert, per Kopf ins deutsche Herz traf (20.).

Wie weggeblasen war plötzlich das ganze deutsche Selbstvertrauen angesichts des ersten Rückstands in einem Pflichtspiel seit dem kleinen WM-Finale 2010. Mag sein, dass in diesem Moment dem einen oder anderen von Löws Mannen auch die Tatsache durch den Kopf ging, dass Deutschland bei Welt- und Europameisterschaften noch nie gegen Italien gewinnen konnte.

Und mitten in die plötzlich grassierende Unsicherheit fiel auch noch ein genialer Pass Montolivos in den Lauf von Balotelli, der knapp außerhalb des Strafraums abzog und an Neuers Hand vorbei, die dem Tango 12 nur noch den Weg weisen konnte, vermutlich das schönste Tor dieser EM erzielte (36.). Danach posierte der begnadete Kindskopf von Manchester City mit nacktem Oberkörper, genoss die Ovationen und kassierte stolz die Gelbe Karte.

Löw reagierte in der Pause nach allen Regeln der Kunst, brachte Marco Reus und Miroslav Klose für Podolski und Gomez, ließ ein Anrennen beginnen. Die Chancen ließen nicht lange auf sich warten. Doch Philipp Lahm (49.) und Reus, dessen sensationellen Freistoß Buffon an die Latte lenken konnte (62.), scheiterten am Unterfangen, den Favoriten zurück ins Turnier zu bringen.

Prandelli ließ nach 70 Minuten Balotelli abtreten, brachte Antonio di Natale, und Löw warf noch Thomas Müller ins verlorene Spiel. Denn auch offensiv gestärkte Italiener können verteidigen, sie können aber auch kontern. An der 15. Niederlage im 31. Spiel gegen Italien änderte auch ein durch Mesut Özil verwandelter Elfmeter nach Handspiel von Barzagli nichts mehr (92.). Ja, eigentlich waren die Unterlegenen noch recht gut bedient. (lü, DER STANDARD, 29.6.2012)

Deutschland - Italien 1:2 (0:2)
Warschau, Nationalstadion, 55.540, SR Stephane Lannoy (FRA)

Tore: 0:1 (20.) Balotelli, 0:2 (37.) Balotelli, 1:2 (92.) Özil (Elfmeter)

Deutschland: Neuer - Boateng (71. Müller), Hummels, Badstuber, Lahm - Khedira, Schweinsteiger - Kroos, Özil, Podolski (46. Reus) - Gomez (46. Klose)

Italien: Buffon - Balzaretti, Barzagli, Bonucci, Chiellini - Marchisio, Pirlo, Montolivo (64. Motta), De Rossi - Balotelli (70. Di Natale), Cassano (58. Diamanti)

Gelbe Karten: Hummels bzw. Balotelli, Bonucci, De Rossi, Motta

Statistik: Deutschland - Italien
Torschüsse: 15 bzw. 10
Fouls: 13 bzw. 19
Eckbälle: 14 bzw. 0
Abseits: 0 bzw. 2
Ballbesitz: 54 bzw. 46 Prozent