Ein Urteil des Landgerichts Köln schlägt auch in Österreich hohe Wellen: Das Gericht wertete die religiöse Beschneidung von Buben als Körperverletzung. Damit ist die rituelle Beschneidung des männlichen Glieds, wie sie im Judentum und im Islam seit Jahrtausenden üblich ist, in der größten Stadt Nordrhein-Westfalens künftig strafbar. Nach vehementer Kritik jüdischer, muslimischer und christlicher Religionsgemeinschaften in Deutschland ist nun eine Debatte über Religionsfreiheit entbrannt.
Im Gespräch mit derStandard.at zeigten sich sowohl der Sprecher der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Zekirija Sejdini, als auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch, "schockiert" über das Urteil.
"Ungefährlicher religiöser Akt"
"Einen ungefährlichen religiösen Akt mit Körperverletzung zu vergleichen stellt meiner Meinung nach einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen dar", so IGGiÖ-Sprecher Sejdini. Aus einem traditionellen religiösen Ritual ein rechtliches Problem zu machen könne die öffentliche Meinung über Religionsgruppen negativ beeinflussen. "Die Teilhabe von Gläubigen an der Gesellschaft könnte dadurch erschwert werden", befürchtet Sejdini.
Kein Präzedenzfall
Ähnliche Worte findet IKG-Präsident Deutsch: "Dieses Urteil ist skandalös. Es geht um religiöse Freiheit für Juden und Muslime." Das Urteil sei sicher nicht antisemitisch oder antimuslimisch motiviert, so Deutsch. "Wir müssen aber damit rechnen, dass die hitzigen Debatten auch in diese Richtung gehen können."
Für einen Präzedenzfall hält Deutsch das Urteil aber nicht. In jedem Land der Welt sei die männliche Beschneidung akzeptiert, das werde sich auch in Deutschland nicht ändern, glaubt der IKG-Präsident. In Österreich sei ein solches Urteil gesetzlich ohnehin nicht möglich. "Hier ist die Politik zum Glück weiter." Wie DER STANDARD bereits berichtete, zieht die Beschneidung von Buben in Österreich keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich. (David Rennert, derStandard.at, 28.6.2012)