Wien - Manche Ansuchen um Genehmigung einer Psychotherapie, die bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) einlangen, fallen etwas frugal aus. "Dem Patienten geht es schlecht, es soll ihm wieder besser gehen", habe ein Therapeut einmal als Begründung geschrieben, schildert Andrea Fleischmann, die stellvertretende Leiterin der Vertragspartnerabrechnung.

Künftig soll das Genehmigungsverfahren durch einen umfangreichen Fragebogen beschleunigt und zielgenauer werden. "Wir legen damit den Schwerpunkt auf Treffsicherheit und Qualität", betonte WGKK-Obfrau Ingrid Reischl Dienstagabend bei einem Pressegespräch. Bis zur zehnten Stunde sollen die Therapeuten das Formular in Absprache mit dem Patienten ausfüllen. Abgefragt werden unter anderem der "Gaf-Wert", mit dem die Intensität der psychischen Störung quantifiziert werden kann, aber auch die konkreten Ziele der Therapie und die geschätzte Dauer.

Frage nach Datenschutz

Eva Mückstein, die Präsidentin des Berufsverbandes der Psychotherapeuten, sieht in den Fragestellungen datenschutzrechtliche Probleme: "Es wird unter anderem auch nach Suiziden in der Familie gefragt." Bei derart sensiblen Daten müssten diese anonymisiert werden.

Als zu lange erachtet man bei der Kasse jedenfalls eine Psychoanalyse, die mit bis zu vier Sitzungen pro Woche mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Ab Herbst wird diese Therapieform für Neuanträge grundsätzlich nicht mehr genehmigt, auch Zuschüsse werden keine mehr gezahlt. Weiterhin genehmigt werden sollen psychoanalytisch orientierte Therapien, aber nur bis zu zwei Wochenstunden.

Mückstein nennt das Vorgehen der Kasse "einen Skandal". Die Kosten für Psychoanalyse nicht mehr zu refundieren widerspreche den mitteleuropäischen Standards - außerdem sei wissenschaftlich belegt, dass eine Psychoanalyse bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörungen am Nachhaltigsten wirke. Mückstein: "Die Krankenkasse hat im Vorfeld weder mit dem Berufsverband noch mit den Vertragspartnern gesprochen."

Auch Elisabeth Skale von der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung ist über das Vorgehen der WGKK sehr aufgebracht: "Es ist unglaublich, einen Vertrag zu verändern, ohne mit den Vertragspartnern zu sprechen." Außerdem seien laut ASVG die Sozialversicherungen verpflichtet, alle 21 anerkannten Therapieformen zu finanzieren.

Laut Paragraf 133 des ASVG muss eine Therapie ausreichend und zweckmäßig sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Deshalb finanziere die Salzburger Gebietskrankenkasse bereits seit 2006 so gut wie keine Psychoanalysen mehr, sagt Obmann Harald Seiss. "Wenn zwei Methoden gleich gut geeignet sind, dann ist nach dem Ökonomiegebot die kostengünstigere zu wählen." Die Sozialversicherung wendet in Österreich pro Jahr 57 Millionen Euro für Psychotherapie auf, davon 15,5 Millionen in Wien. (Bettina Fernsebner-Kokert, DER STANDARD, 28.6.2012)