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Der Vatikan hat sogar eine eigene Liga. Die EURO war außer Reichweite, der Kirchenstaat ist weder Uefa- noch Fifa-Mitglied.

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Die Iglesia Maradoniana in Buenos Aires feiert natürlich auch Ostern, Pfingsten und Weihnachten. Der höchste Feiertag ist aber schon der 30. Oktober, an diesem Tag wurde nämlich der Herr geboren.

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Donezk - Der Trainer ist ein Pilger und im Tor steht ein Heiliger, nur der "deutsche" Italiener ist ein Atheist: Riccardo Montolivo, Sohn einer deutschen Mutter und eines italienischen Vaters, darf sich in der Squadra Azzurra als Außenseiter fühlen. Coach Cesare Prandelli dagegen pilgerte nach den beiden jüngsten Siegen bei der EM zu Fuß ins Kloster Bielany, Goalie Gianluigi Buffon wird am Stiefel als San Gigi verehrt.

Der frühere italienische Nationaltrainer Giovanni Trapattoni verspritzte in seiner Zeit bei den Azzurri stets Weihwasser auf der Bank. Auch bei dieser EURO hatte "Trap", inzwischen Coach der Iren, sein Fläschchen im Einsatz, geholfen hat es nicht. Irland scheiterte in der Vorrunde. Dass sich der 63-Jährige deshalb von Gott abwendet, ist nicht zu befürchten. Er ist streng katholisch, wie die meisten seiner Landsleute. Am Sonntagmorgen geht es in die Kirche, am Nachmittag pilgern die Tifosi ins Stadion und beten ihre Ersatzgötter an.

Bisweilen geht der Kirche die Liebe zum Calcio aber etwas zu weit. Als der AC Milan im April 2006 das Derby gegen Inter auf Karfreitag vorverlegte, war der Vatikan alarmiert. Kardinal Ersilio Tonini klagte über "Gefühllosigkeit". Dabei hat gerade der Vatikan eine sehr enge Verbindung zum Calcio, sogar eine eigene Freizeitliga unterhält der Kirchenstaat, dessen Teamchef Trapattoni heißt. Kaum ein großes Turnier, vor dem nicht mindestens eine Nationalmannschaft den Papst um seinen Segen bittet. Manchmal mit erstaunlichem Erfolg.

21. Juni 1980, ein Tag vor dem EM-Endspiel in Rom zwischen Deutschland und Belgien: Angreifer Horst Hrubesch hat zwei Stunden freibekommen, er will zum Papst. Bei der Audienz hebt Johannes Paul II. zwei Finger, er scheint Hrubesch zu winken. "Das heißt: Du sollst zwei Dinger machen", sagt ein Journalist zu Hrubesch. Und der trifft beim 2:1-Sieg tatsächlich doppelt. Doch nicht auf alle Fußballer hatte dieser Papst solch eine Wirkung. Irlands Trainer Jack Charlton schlief bei einer Audienz vor der WM 1990 ein, und Protestant Jürgen Klinsmann verweigerte in seiner Zeit bei Inter einen Segen.

Zweck der Züchtigung

Besser wurde es auch unter Nachfolger Benedikt XVI. nicht. "Die Kirche hat ihren Beckenbauer gefunden", jubelte Kardinal Tarcisio Bertone zwar nach der Wahl des Deutschen. Doch Joseph Ratzinger verstörte jüngst mit der Aussage, er erkenne im Fußball den Zweck der Züchtigung des Menschen. Religion und Fußball, diese Verbindung ist nicht immer glücklich. Wie etwa beim Nigerianer Taribo West, der von Kaiserslautern entlassen wurde, weil er sich geweigert hatte, sonntags zum Training zu erscheinen. "Der Herr ist wichtiger als ein Fußballklub", sagte West, und weiter: "Die Deutschen sind selbstverliebt und dumm."

Glaube beendet mitunter große Karrieren. Torhüter Claudio Taffarel, mit Brasilien 1994 Weltmeister, war auf dem Weg zu seinem ersten Training beim FC Empoli, als der Motor seines Autos streikte. "Ein Zeichen des Herrn", vermutete Taffarel und legte seine Handschuhe für immer beiseite. Paulo Sergio, ein Teamkollege Taffarels, wurde nach dem Ende seiner Karriere Pfarrer. "Als Pastor bin ich in einem Team, das nie verliert", sagte er.

Das Wort Fan bedeutet so viel wie "religiös schwärmerisch, von der Gottheit ergriffen". Die Anhänger beten für ihren Verein, zünden Kerzen an, wenn es gegen den Abstieg geht, sprechen von Fußballwundern und verehren Trikots oder Autogramme wie Reliquien. Und manche gründen eine Kirche für ihr Fußballidol. Die Iglesia Maradoniana in Buenos Aires verehrt den Mann, der Argentinien 1986 auch mithilfe der "Hand Gottes" zum Weltmeister machte. Der 30. Oktober, der Geburtstag von Diego Maradona, ist ihr "Heiliger Abend". (sid, red, DER STANDARD 28.06.2012)