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Studenten sollen schon vor Studienbeginn auf ihre Fähigkeiten getestet werden, fordert Ökonom Tichy: "Man muss den Studenten rechtzeitig klar machen, dass sie eine Lebensentscheidung treffen."

Foto: Reuters/VINCENT KESSLER

"Die österreichische Lösung ist eine Pseudoautonomie", sagt Gunther Tichy. Der Wirtschaftsökonom zieht eine gespaltene Bilanz über das Universitätsgesetz 2002, das vor zehn Jahren beschlossen wurde. "In entscheidenden Fragen haben die Universitäten keine Autonomie. In manchen Punkten wiederum zu viel Autonomie", sagt der WIFO-Experte im Gespräch mit derStandard.at.

Studenten auswählen

Zu viel Autonomie gebe es, weil die Unis die Studiengänge selbst festlegen können. Zu wenig Autonomie hätten sie insofern, als sie die Studenten nicht selbst auswählen können. Das führe dazu, dass sie jeden Maturanten im selbst gewählten Fach akzeptieren und durch unzählige Prüfungswiederholungen bis zum Drop-out durchschleppen müssen. "Sie sind gezwungen, in den überlaufenen Massenfächern, die zugleich meist auch schlechte Berufsaussichten bieten, sinnlose Kapazitäten aufzubauen und vorzuhalten, ohne eine entsprechende Betreuung in diesen wie in den anderen Fächern bieten zu können."

Laut Tichy müsste man hier schon viel früher ansetzen. Deutsche Untersuchungen würden zeigen, dass ein halbes Jahr vor Studienbeginn die Hälfte der Studenten noch nicht wissen, was sie studieren wollen; sieben Prozent hätten sich noch nicht einmal mit der Frage beschäftigt. "Unendlich viele AHS-Studenten drängen auf die Universitäten, ohne genau zu wissen, was sie wollen. Die Universitäten wehren sich dagegen, indem sie Knock-out-Prüfungen machen: Sie verlegen kritische Prüfungen ganz an den Anfang."

Auf Fähigkeiten testen

Der WIFO-Experte schlägt stattdessen vor, dass die Unis vor Beginn des Studiums sogenannte Aptitude-Tests durchführen, um die Eignung der Studenten festzustellen. "Die Studenten müssen auf ihre Fähigkeiten getestet werden. Bei angehenden Lehrern muss man zum Beispiel schauen, wie sie mit Kindern umgehen können, wie ihre soziale Kontaktfähigkeit ist."

Gleichzeitig seien die zukünftigen Studenten dadurch auch angehalten zu überlegen, was sie eigentlich wollen. Diese Tests sollen laut Tichy vor dem Eintritt in die Universität stattfinden und es soll nicht darum gehen, "ob jemand gescheit oder dumm ist, sondern, ob er Voraussetzungen für dieses Fach hat".

Tichy will dadurch auch verhindern, dass Studierende oft das Fach wechseln. Mit einer Trefferquote von 70 bis 80 Prozent könne man feststellen, ob jemand für das Studium geeignet ist oder nicht, ist er überzeugt: "Man muss den Studenten rechtzeitig klar machen, dass sie eine Lebensentscheidung treffen."

Hierachische Personalstruktur

Nachbesserungsbedarf sieht Tichy auch in der Personalstruktur. "Das ist ein deutsch-österreichisch-schweizerisches Problem. Wir haben eine ganz dünne Elite von Professoren, und die darunter sind Sklaven oder Hilfsarbeiter", formuliert es der Ökonom negativ. Die österreichischen Universitäten sind seiner Meinung nach nicht nach modernen kooperativen Formen der Wissenschaftsorganisation aufgebaut, sondern streng nach dem alten Meister-Lehrling-System. Viele Forscher würden in Abhängigkeit gehalten. Auch dafür macht er das UG 2002 verantwortlich. Es verordne eine "feudalische Organisation" der Universitäten, weil es streng zwischen Professoren und wissenschaftlichem Personal trenne. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 27.6.2012)