Frankfurt am Main - Die deutsche Commerzbank stellt überraschend ihr Neugeschäft mit Krediten für Gewerbeimmobilien und Schiffe komplett ein. Die Bank, die in beiden Bereichen bisher zu den größten Anbietern in Deutschland gehört, vollzieht damit eine Kehrtwende. Noch vor wenigen Monaten waren diese Aktivitäten zum Kerngeschäft erklärt worden. Stattdessen sollen nun die bestehenden Kredite schrittweise so abgebaut werden, dass daraus keine großen Verluste entstehen, wie die Bank am Dienstagabend nach einer Vorstandssitzung mitteilte. Die Entscheidung bedeutet auch das Aus für rund 1.000 verbliebene Eurohypo-Mitarbeiter. Von ihnen dürfte nur ein Teil für die interne "Bad Bank" gebraucht werden, in der die Hypotheken- und Schiffskredite landen sollen. In der Schiffsfinanzierung arbeiten 160 Mitarbeiter.

Erst im März hatte die Commerzbank beschlossen, dass von der Eurohypo nur ein kleiner, gesunder Kern in Deutschland und vier weiteren Ländern bleiben sollte. Schon damals sollten aber vier Fünftel des Bestands abgebaut werden. Statt 20 Milliarden Euro an Schiffskrediten wollte die Bank nur noch die Hälfte in den Büchern stehen haben. Beide Bereiche wurden aber gleichzeitig zum Kerngeschäft erklärt, das in einer eigenen Sparte unter der Führung von Jochen Klösges zusammengefasst werden sollte. Diese wird es nun nicht geben, wie die Bank betonte. Für Privat- und Firmenkunden will sie aber weiter Immobilienkredite bereithalten. Die Spezialfonds-Tochter CommerzReal, die Teil des neuen Geschäftsfelds werden sollte, wird in die Privatkunden-Sparte eingegliedert.

Eigentlich sollte die neue Struktur schon Ende dieser Woche in Kraft treten. Die zum Konzern gehörende Deutsche Schiffsbank war erst kürzlich mit der Commerzbank verschmolzen worden.

"Beschleunigung des Kurses"

Im April hatte der neue Finanzvorstand Stephan Engels sein Amt angetreten. Commerzbank-Chef Martin Blessing sagte in einem im Intranet der Bank veröffentlichten Interview: "Das ist keine Kehrtwende, sondern eine Beschleunigung unseres bisherigen Kurses." Die Bank reagiere damit auch auf die Verschärfung der Staatsschuldenkrise. Gründe für den Strategiewechsel seien die starken Schwankungen in den Ergebnissen der Gewerbeimmobilien- und Schiffsfinanzierung, woran sich so schnell nichts ändern werde. Nach den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften von "Basel III" würde überdies durch die langfristigen Kredite zu viel kostbares Kapital gebunden.

"Dies alles macht das Geschäftsmodell der gewerblichen Immobilienfinanzierung und der Schiffsfinanzierung für uns nicht mehr attraktiv", sagte Blessing. "Ein rasches Ende der Eurokrise ist nicht absehbar. Daher müssen wir die Risiken weiter konsequent reduzieren und uns auf das Geschäft konzentrieren, das nachhaltig profitabel ist."

Für Schiffspfandbriefe, mit denen das Geschäft künftig refinanziert werden sollte, gebe es kaum noch Abnehmer, hieß es in Commerzbank-Kreisen. Der Antrag der Bank auf eine Lizenz für Hypothekenpfandbriefe läuft noch. Über diese verfügt bisher nur die Eurohypo, die auf Geheiß der EU vom Markt verschwinden muss.

Personelle Änderungen nicht geplant

Der größte deutsche Immobilienfinanzierer wird daher Ende August in "Hypothekenbank Frankfurt" umbenannt. Sein Geschäft aber landet schon vorher komplett in der eigenen Abbaubank "Non Core Assets", um die sich Personalchef Ulrich Sieber kümmern soll. Da Klösges' Aufgabe damit wegfällt, würden auch die Zuständigkeiten im Vorstand neu geordnet, erklärte die Bank. Ein Sprecher sagte aber, personelle Änderungen seien nicht geplant.

An den Zielen für das laufende Geschäftsjahr werde sich fürs Erste nichts ändern, hieß es in der Mitteilung. Die Bank hat sich für 2012 nur darauf festgelegt, dass die Rückstellungen für faule Kredite nicht mehr als 1,7 Milliarden Euro ausmachen sollen. "An der grundsätzlichen Risikoeinschätzung der Portfolien hat sich nichts geändert", betonte der Sprecher. Mit den Zahlen für das erste Halbjahr am 9. August würden aber alle Prognosen aktualisiert.

Mitarbeiter und Kunden der Commerzbank müssen sich aber noch auf weitere Veränderungen einstellen. Der Abschied von Schiffs- und Immobilienkrediten sei nur eine erste Konsequenz aus einer strategischen Überprüfung aller Teile der Bank. "Die Ergebnisse dieses Prozesses werden wir im Herbst vorstellen", sagte der neue Finanzchef Engels. Ich möchte dem heute nicht vorgreifen. Aber ich bin sicher, wir werden unser Profil als führende Bank für Privat- und Firmenkunden weiter schärfen." (APA, 26.6.2012)