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Automatenglücksspiel - Suchtexperten und Konsumentenschützer halten nichts davon. Zu schnell und zu viel Geld könne man verlieren.

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Automat und Mensch heißt in Österreich: Jeder Dritte Spieler ist ein pathologischer Spieler oder hat zumindest ein grobes Problem mit dem Spielen.

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Arzt Herwig Scholz zum Suchtpotenzial der Automaten: "Wenn Sie überlegen, welche Medikamente süchtig machen, dann sind das jene, die angenehme Effekte erzielen und rasch wirken."

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Während in Wien die Konzessionen mit Ende 2014 auslaufen, setzen Oberösterreich und das Burgenland seit kurzem darauf.

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Das Glücksspiel lebt von seiner Geschwindigkeit. An Roulettetischen und Spielautomaten suchen Menschen den schnellen Kick, oft mit desaströsen Folgen. Als besonders suchtgefährdend gilt das Automatenglücksspiel, 32.500 pathologisch spielende Österreicher verlieren an den "einarmigen Banditen" nicht nur viel Geld, sondern oft auch ihre Existenz. Bund und Länder glauben daran kräftig mitzuverdienen, in Wirklichkeit scheint es aber ein Nullsummenspiel zu sein. Eine Schätzung beziffert die Kosten für Therapie, Arbeitslosengeld und Co. auf mindestens 60 Millionen Euro.

Steuern gegen Folgekosten

Glücksspiel ist Politik. Eigentlich ist es verboten, der Staat hat ein Monopol darauf. Art und Einsatz der Automaten zu reglementieren, diese Aufgabe kommt den Politikern zu. Damit tun sie sich aber schwer, ist das sogenannte "kleine Glücksspiel" auf den ersten Blick doch ein gutes Geschäft. Vor allem für die Länder. Allein rund 55 Millionen Euro soll Wien pro Jahr über die "Glücksspielabgabe" lukrieren, je ungefähr 20 Millionen Euro sollen die Glücksspiel-Länder Steiermark und Niederösterreich bekommen, 8,4 Millionen Euro entfallen auf das Land Kärnten. So mancher zweifelt allerdings daran, dass dieses Geld zu Gänze in den öffentlichen Kassen liegen bleibt.

Vor allem, wenn man eine Gegenrechnung anstellt. Denn auch wenn Spielsucht ein Randproblem ist und nur zwischen 0,5 und 1,5 Prozent - je nachdem, wen man fragt - der erwachsenen Bevölkerung in Österreich pathologisches Spielverhalten an den Tag legen, wiegen die gesamtökonomischen Folgekosten schwer. Michael Heiling von der Sektion 8 der SPÖ Alsergrund, auf deren Druck hin die Wiener SPÖ auf ein Quasi-Glücksspiel-Verbot in der Bundeshauptstadt einzuschwenken scheint, hat eine Bilanz erstellt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es keinen wirtschaftlichen Gesamtnutzen des kleinen Glücksspiels gebe. Die Steuereinnahmen würden durch die Folgekosten aufgefressen.

Kostenfalle

Zu den Spielsuchtkosten zählen - neben dem erhobenen finanziellen Aufwand für eine Therapie - viele indirekte Kosten. Jene für Arbeitslosigkeit zum Beispiel. Basierend auf Daten der Wiener Spielsuchthilfe geben 22,4 Prozent der hilfesuchenden Spielkranken Arbeitsplatzverlust als Folge ihrer Krankheit an. Auch wenn der Jobverlust sicher mehrere Ursachen hat und nicht ausschließlich der Spielsucht zuzuordnen sein muss, ergeben sich nach vorsichtigen Schätzungen pro Jahr 30 Millionen Euro an Kosten. Aber auch die verbreitete Beschaffungskriminalität und dadurch bedingte Verfahrens- und Strafvollzugskosten schlagen zu Buche. In Heilings Berechnungen stehen den gesamten Einnahmen aus dem kleinen Glücksspiel von mindestens 150 Millionen Euro pro Jahr öffentliche Kosten von - bei defensivster Schätzung - mindestens 60 Millionen Euro gegenüber. 

Unterm Strich kommen aber noch weitere, nicht erfasste Kosten hinzu. Zum Beispiel häusliche Gewalt, Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit, nicht geahndete Beschaffungskriminalität, Bildungsabbrüche, aber auch Konsumverzicht oder die Zinslast für Kreditrückzahlungen.

Die Suche nach der tatsächlichen Höhe der gesamtökonomischen Folgekosten der Spielsucht geht in Österreich also weiter. Besonders erpicht auf genauere Zahlen scheint man nicht zu sein, unabhängige wissenschaftliche Untersuchungen in diese Richtung sind absolute Mangelware. Für Deutschland hat die Forschungsstelle Glücksspiel im Vorjahr erstmals Zahlen nach den Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erhoben. Mit dem Ergebnis: Insgesamt liegen die gesamtökonomischen Folgekosten aus dem Automatenglücksspiel in Deutschland bei rund 250 Millionen Euro pro Jahr. Aus dem Finanzministerium in Wien heißt es, man kenne zwar die deutsche Studie, aber: "Es gibt nichts Vergleichbares in Österreich."

Auf österreichischer Bundesländerebene gibt es nur für die Steiermark eine umfassende Studie. Das bestehende Zahlenmaterial gegeben, ist für Heiling dennoch eines klar: Die Rechnung für den Staat geht nicht wirklich auf. Ein Verbot des kleinen Glücksspiels sei unumgänglich. 

Das Verbot und die Illegalität

Genau das sehen andere als das wahre Übel, da es die Illegalität fördere. Der Wiener Spielapparatebeirat, der sich aus Beamten und Vertretern der Automatenwirtschaft, der Wirtschafts- und der Arbeiterkammer zusammensetzt, beurteilt ein Verbot kritisch. "Dann haben Sie die illegalen Automaten", sagt Beiratsvorsitzender Ernst Riedl zu derStandard.at. Das sehe man schon heute in jenen Ländern, in denen das kleine Glücksspiel nicht geregelt ist. "Schätzungen beziffern die Zahl der illegalen Automaten in Salzburg auf 3.000, in Tirol auf 2.500 und in Vorarlberg auf 1.200", betont der Wirtschaftskämmerer. Diese Zahlen sind allerdings äußerst vage: "Ob sie den Tatsachen entsprechen, kann ich Ihnen nicht sagen." Im Vergleich zu den legal aufgestellten Automaten wäre diese Zahl recht hoch. Insgesamt soll es in Wien, Niederösterreich, Kärnten und der Steiermark rund 7.000 Maschinen geben. Mit der nun erfolgten Legalisierung in Oberösterreich und dem Burgenland kommen noch rund 1.400 dazu.

Für die Glücksspiel-kritische Sektion 8 der SPÖ Alsergrund ist das Damoklesschwert Illegalität jedenfalls kein Argument. "Die Kontrollierbarkeit wäre ja um einiges größer, wenn alles, was außerhalb der Casinos steht, illegal ist und bestraft wird", meint Aktivist Heiling.

Geblinke und Getöne

Automatenverbot oder nicht, erst letztes Jahr versorgten Wissenschaftler die Glücksspiel-Kritiker mit neuem Futter. Das Hamburger Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung lieferte die erste repräsentative Studie zum Glücksspielverhalten in Österreich. Obwohl nur knapp zwei Prozent der erwachsenen Österreicher an Automaten zocken, ist die Zahl der Spielsüchtigen unter ihnen überdurchschnittlich hoch. Jeder Dritte ist pathologischer Spieler oder hat zumindest ein grobes Problem mit dem Spielen.

Automaten hätten das größte Gefährdungspotenzial aller angebotenen Glücksspiele. Primar Herwig Scholz, Leiter der Spielsuchtambulanz De la Tour in Villach, kann auch erklären, warum. "Wenn Sie überlegen, welche Medikamente süchtig machen, dann sind das jene, die angenehme Effekte erzielen und sehr rasch wirken", so Scholz im Gespräch mit derStandard.at. Über das Geblinke und Getöne würden die Automaten quasi in Kontakt mit dem Spieler treten. Die Belohnung sei dann zwar rasch da, "aber nicht sehr nachhaltig, wie wir wissen", betont Scholz.

Einer, der das aus eigener leidvoller Erfahrung kennt, ist Günther Wanker. Mehrere hunderttausend Euro hat er beim Zocken an Automaten versenkt. Nach einer langjährigen Therapie hat sich Wanker auch selbst sperren lassen, in Casinos und auch beim Online-Gaming, erzählt er im Gespräch mit derStandard.at. Nun hat er eine Bürgerinitiative gegründet, mit der er die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf das kleine Glücksspiel lenken will. Die Einsätze seien zu hoch, die Spiele zu schnell, das Geld viel zu rasch weg. Und die Automaten entsprächen nicht dem Gesetz.

Ein Spiel ist nicht immer ein Spiel

Ob die Spielmaschinen gesetzeskonform sind oder nicht, darüber ist ein Disput zwischen Spielern und Automatenwirtschaft entstanden. Entzündet hat er sich an der Frage, ob ein Spiel nur mit 50 Cent Einsatz möglich ist oder dank eines "Würfelspiel"-artigen Mechanismus 6,50 Euro pro Klickfolge verspielt werden können. 

Allerdings könnte dieser Streit in naher Zukunft beigelegt werden. Wurden doch bei der letzten Novelle des Glücksspielgesetzes die Maximaleinsätze beim Automatenspiel angehoben - von ursprünglich 50 Cent pro Spiel auf bis zu zehn Euro. In Wien würde das aber erst nach 2014 gelten. Also dann, wenn die Konzessionen in Wien wider Erwarten nicht auslaufen, sondern neu vergeben würden.

Aber nicht nur mutmaßliche Einsatzmultiplikation und die Schnelligkeit des Automaten-Glücksspiels empfinden Kritiker als problematisch. Mittlerweile sollen auch viele Maschinen so eingestellt sein, dass Gewinne sich nicht in ausgespucktem Geld niederschlagen, sondern stattdessen Bonus- bzw. Freispiele verteilen. Auch in dem Fall kann die Automatenwirtschaft diese Beobachtungen nicht bestätigen. Es sei "unrichtig", dass "Gewinne in Form von Bonusspielen ausbezahlt werden", heißt es vom österreichischen Marktführer Novomatic auf Anfrage von derStandard.at.

Das Gasthaus und sein Automat

Einigen kann man sich zumindest darauf, dass es in Österreich eine große Zahl spielkranker Menschen gibt. Novomatic sieht in der Sucht "eine komplexe Krankheit", die aber nicht nur vom verlockenden Automatenspiel, sondern auch von "persönlichen Eigenschaften des Konsumenten und von der sozialen Umgebung" abhänge. Professionelle Betreuung sei daher nötig.

Diese Art von Therapie liefert Mediziner Scholz in der Kärntner Spielsuchtambulanz, die es seit zweieinhalb Jahren gibt und bei der sich gemeinsam mit der Betreuungsstelle vom Magistrat Klagenfurt bereits mehr als 1.000 Patienten registriert hat. Bis 1997 habe es kaum behandlungssuchende Kärntner gegeben. Mit der Änderung des Landesunterhaltungsgesetzes im selben Jahr wurden Automaten auch in Gasthäusern zugelassen. "Mit einer Verzögerung von zwei bis drei Jahren kam es zu einem lawinenartigen Anstieg von Menschen mit Spielproblemen", so der Leiter der Ambulanz. Scholz sieht dieses Problem auch auf das Burgenland zukommen, in dem der Vergabeprozess gerade läuft. Wie man das in Eisenstadt verhindern will, wird nicht verraten. "Keine Auskünfte" heißt es schriftlich aus dem Büro der dafür zuständigen Landesrätin Michaela Resetar (ÖVP).

Es ist die leichte Verfügbarkeit, im Gasthaus um die Ecke oder im Spielsalon zwei Straßen weiter, die potenziell Spielsüchtige verführt. "Am gscheitesten wäre, man hätte es nicht", fasst AK-Konsumentenschützer Karl Kollmann seinen Standpunkt zusammen. Wenn schon kein Verbot durchzusetzen sei, wonach es nach den Legalisierungen in vielen Bundesländern aussieht, so müssten zumindest die Hürden für Spieler viel höher werden.

Ein Spiel, ein Münzwurf 

Ideen, wie das gehen soll, gibt es viele. Zu einem Maximaleinsatz von 50 Cent fordern Kritiker auch, dass die Spieler Münzen oder Jetons jeweils einzeln einwerfen müssen. Derzeit ist das nämlich nicht so, auch große Scheine können in die Automaten geschoben werden. Einmal 100 Euro in die Spielkassa geladen, gehen sich 200 Spiele hintereinander aus. Eine Beschränkung auf Münzeinwurf würde das Spiel hingegen verlangsamen, "vergemütlichen" nennt es Kollmann, und damit auch die Spielsuchtgefahr verringern.

Diese Art der Verlangsamung des Spiels hält Wirtschaftskämmerer Riedl indes aus praktischen Überlegungen für sinnlos. Was soll man mit den ganzen Münzen machen, da hätten weder Finanzamt noch die Betreiber eine Freude. "Ich bin ein Gegner, das einzuschränken", so Riedl. Er stellt aber auch den Nutzen für den Spieler in Abrede: "Ich glaube nicht, dass das die Hemmschwelle herabsetzt. Ein richtiger Suchtspieler spielt an mehreren Automaten gleichzeitig." Im Gegensatz zu Riedl, der den Spieler auch in Zukunft größere Beträge hochladen lassen will, nimmt Novomatic keine Position ein. "Für uns hat das geltende Glücksspielgesetz Gültigkeit", heißt es aus dem Unternehmen auf Anfrage.

Mit der im Burgenland, Niederösterreich und Oberösterreich kommenden Spielerkarte soll zumindest das gleichzeitige Bedienen mehrerer Maschinen nicht mehr möglich sein. Um den Spielerschutz effektiv auszubauen müssten die Automaten aber zumindest raus aus den Gasthäusern, das ist der Ansatz des Neurologen Scholz. Außerdem müsse der Jugendschutz massiv verstärkt werden. 

Unabhängige Therapie

Und für all jene, die dennoch in die Sucht rutschen, fordert der Primar Hilfsangebote, die nicht von Zahlungen der Automatenwirtschaft abhängen. Die Kärntner Spielsuchtambulanz wird beispielsweise vom Land Kärnten finanziert. Das ist eher die Ausnahme. Üblicherweise sind die Geldgeber der Hilfsstellen die Glücksspielunternehmen selbst. Grundsätzlich hat Herwig Scholz da auch nichts dagegen. Wenn Therapeuten aber Dinge, die der Automatenwirtschaft nicht zupass kommen, sagen, dann dürfe nicht die Therapie selbst am Spiel stehen, bloß, weil sich ein Unternehmen aus der Finanzierung zurückzieht.

Privat oder Staat? Während auch hier Novomatic keine öffentlichen Wünsche hat, spricht sich der Wiener Spielapparatebeirat für eine Mischung aus. Er befürwortet ein Modell, wo über die Wirtschaftskammer ein Betrag pro Automaten eingehoben wird. Dieses Geld soll dann der Betreuung der Spielsüchtigen dienen. Parallel dazu soll Geld von den Ländern fließen. Seitens der Casinos Austria plädiert man für eine Zweckbindung eines Teils der Steuereinnahmen aus dem Glücksspiel generell, die für die Prävention oder die Spielsuchthilfe zur Verfügung stehen sollen. Damit würde die Industrie auch nicht mehr in Verdacht stehen, "scheinheilig Geld abzuliefern" für ein Problem an dem sie mitbeteiligt sind.

Letztendlich geht es in der Frage des kleinen Glücksspiels um ein Gesamtpaket aus Therapie, schwierigerem Zugang zu Angeboten und dem politischen Willen, sich nicht nur auf die steuerliche Haben-Seite zu konzentrieren. Konsumentenschützer Kollmann nimmt die Politik in die Pflicht. Es sei ihre Aufgabe, für ein zufriedenstellendes, gefahrloses Leben der Bürger zu sorgen. "Deswegen gibt es auch eine Beschränkung der Geschwindigkeit in Städten von 50 km/h." (Daniela Rom, Hermann Sussitz, derStandard.at, 2.7.2012)