Eric R. Kandel, "The Age of Insight. The Quest to Understand the Unconscious in Art, Mind and Brain", New York, Random House, 640 Seiten

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Das Erscheinen des Buchs war seit einiger Zeit angekündigt. Dass The Age of Insight, Eric Kandels neues Buch, erst seit wenigen Wochen erhältlich ist, trifft sich gut: Denn 2012 wird sowohl der 150. Geburtstag von Gustav Klimt wie auch der von Arthur Schnitzler gefeiert - und die beiden sind zwei der Helden in Eric Kandels großartigem Brückenschlag zwischen Medizin, Wissenschaft und Kunst des Wiens um 1900.

Anders als Carl Schorske erklärt der große Neurowissenschafter diese einmalige künstlerische Blütezeit der Stadt nicht aus den politischen Umständen, sondern geht ihren möglichen Ursprüngen in der Medizin am Ende des 19. Jahrhunderts nach. Damals proklamierte der Pathologe Carl von Rokitansky, dass man unter die Oberfläche der Haut schauen müsse, um zur Wahrheit zu gelangen. Genau dieses Prinzip sieht Kandel, der selbst auch Kunst der Wiener Moderne sammelt, bei Freud und Schnitzler, den Erforschern des Unbewussten, ebenso umgesetzt wie in den Porträts von Klimt, Schiele und Kokoschka.

Mögen die kunsthistorischen Exkurse für Experten nicht allzu viele Überraschungen enthalten, so begibt sich Kandel im letzten Teil auf umso spekulativeres Terrain, nämlich die Neuroästhetik: Er sucht nach möglichen Erklärungen aus der Hirnforschung, warum etwa Klimts "Judith" so intensiv auf den Betrachter wirkt.

"Mein Herz schlägt im Dreivierteltakt", bekennt der 1929 in Wien geborene Kandel in der Einleitung seines neuen Buchs. Mit The Age of Insight hat er seiner Heimatstadt, aus der er 1939 vertrieben wurde, eine unverdient schöne Hommage geschrieben. (tasch, DER STANDARD, 27.6.2012)