Pussy Riot in der Metro (Foto aus dem in der Moskauer Ausstellung gezeigten Video).

Foto: pussy-riot.livejournal

50 Jahre wäre Wiktor Zoj dieser Tage alt geworden: Der 1990 verunglückte Musiker galt als Idol der sowjetischen Jugend, sein Auftritt im legendären Spielfilm Assa zählt zu den eindrucksvollsten Filmszenen, die die Perestrojka-Zeit hinterlassen hat: Mit seinem Hit Veränderung legt Zoj scheinbar ohne Publikum los - dann schwenkt die Kamera, und plötzlich jubeln Zehntausende zum Refrain "Nach Veränderung verlangen unsere Herzen". Wir schreiben das Jahr 1987, vier Jahre später war die Sowjetunion Geschichte.

Mit Filmplakaten, Fotos und Grafiken kommt Assa derzeit prominent in einer Ausstellung im Moskauer Designzentrum Artplay vor. Die Stille ist der Tod nennt sich die Schau, die sich mit Protest, Kunst und Rock 'n' Roll in Russland seit den Achtzigerjahren beschäftigt - und dabei einen Bogen von Zoj bis zur feministischen Punkband Pussy Riot spannt.

Letztere wird strafrechtlich verfolgt: Drei Mitglieder sitzen in U-Haft, diese wurde von einem Moskauer Gericht erneut verlängert. Im Februar hatte die Gruppe ein Putin-kritisches Video in der Christus-Erlöser-Kathedrale gedreht. Die Moskauer Staatsanwaltschaft qualifizierte dies als "Rowdytum", als Motiv nannten die Ermittler religiösen Hass. Die Causa sorgte auch für internationale Unmutsbekundungen - etwa auch vor der Russischen Botschaft in Wien.

Die Punkband ist zwangsläufig einer der Schwerpunkte der Schau. Zu sehen ist ein spektakuläres Musikvideo, das im Herbst unautorisiert in der Moskauer Metro gedreht worden war. Zusätzlich sind zahlreiche Arbeiten ausgestellt, in denen Künstlerkollegen gegen die Verfolgung der Gruppe protestieren.

Aber auch Widerspruch gegen Pussy Riot wird thematisiert: Der bekannte Maler Konstantin Swesdotschotow, Ende der Siebziger Mitbegründer der provokanten Künstlergruppe Pilze, verweigerte kategorisch eine gemeinsame Ausstellungsbeteiligung.

Die Ausstellung lässt sich freilich nicht auf die Auseinandersetzung um eine Band reduzieren. Kuratorin Tatjana Wolkowa verweist mit zahlreichen Beispielen auf die zuletzt häufig diskutierte Parallele zwischen Perestrojka und den Protesten 2011/2012. Damals wie heute liefern kunstaffine Rocker und rockende Künstler maßgebliche Kommentare zur Zeit. Eine weitere Parallele betrifft die Schau selbst: In den 1980ern hatten mutige Vertreter der Intelligenzija versucht, das Maximale herauszuholen - immer im Bewusstsein, dass totalitäre Tendenzen zurückkehren und freie Meinungsäußerung damit zu Ende sein könnten.

Wenn auch in abgeschwächter Form, so lässt sich im Moskau des Jahres 2012 Ähnliches beobachten. Wegen ihrer professionellen Haltung verloren einige führende Journalisten ihren Job. Auch Die Stille ist der Tod lässt sich als Geste interpretieren, das maximal Mögliche zu machen. Denn in der aktuellen Situation könnte die bloße Teilnahme von Pussy Riot dem Ausstellungsort und seinen Besitzern massive Unannehmlichkeiten einbringen. (Herwig Höller, DER STANDARD, 27.6.2012)