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Der Rats-Vorsitzende Jürgen Mittelstraß kann sich vorstellen, dass Teile einer Uni-Ausbildung an FHs stattfinden.

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Wien - Der Wissenschaftsrat empfiehlt einen starken Ausbau des Fachhochschulsektors bei gleichzeitigem Rückbau der Studienplätze an den Universitäten. Man wolle eine "Umgewichtung vom derzeit wildwuchernden Universitätsbereich zum sehr restriktiven, beschränkten Fachhochschulbereich", sagte Ratsmitglied Manfred Prisching bei einer Pressekonferenz am Dienstag. "Da empfehlen wir, einiges rüberzuschieben." Kleiner Haken: "Solange ich keinerlei Steuerungsmöglichkeit an den Unis habe, kann ich mir alle Projektionen an die Wand nageln." Der Rat schlägt daher für die Unis die gleichen Zugangsregeln wie an den Fachhochschulen vor, also eine Beschränkung der Studienplätze.

Den Ausgangspunkt für die vorgeschlagene "Gewichtsverlagerung" bildete unter anderem der Hochschulbericht 2011. Dessen Projektionen sehen etwa eine starke Expansion des Uni-Sektors auf rund 320.000 Studenten (derzeit rund 290.000) im Jahr 2030 vor, während der Fachhochschulsektor nur moderat auf rund 45.000 Studenten (derzeit rund 40.000) anwachsen soll. "Wir haben einen überdimensionierten Unisektor und einen unterdimensionierten Fachhochschulsektor", so Prisching. Dass nur elf bis zwölf Prozent aller Studenten an Fachhochschulen (FHs) studieren, sei zu wenig.

"Wir glauben, dass man umschichten muss", so Prisching. Von den derzeit 290.000 Uni-Studenten seien rund 90.000 kaum oder gar nicht prüfungsaktiv, würden also weniger als acht ECTS-Punkte pro Semester absolvieren (vorgesehen sind 30 ECTS pro Semester). "Da haben wir ohnehin viel Luft drinnen." Bei einer Schrumpfung auf 200.000 Studenten wäre der Uni-Sektor ohnehin noch viel dichter als in der Schweiz, die derzeit massiv in den FH-Ausbau investiere. Die FH-Plätze will der Rat auf mindestens 80.000 ausbauen, im Idealfall auf 120.000 im Jahr 2030. Das würde bei gleich bleibendem Bundeszuschuss pro Studienplatz von rund 7.000 Euro ca. 600 Mio. Euro jährlich kosten.

FHs "permanent überbucht"

Auch für die Studenten hätte das Vorteile, meinte Prisching. Viele seien an einer klaren, akademisch strukturierten Berufsvorbereitung interessiert, diese Leute müsse man nicht mit einer Vorbereitung auf die Wissenschaft "traktieren". Der FH-Bereich sei derzeit "permanent überbucht", vor allem in den Gesundheitsfächern: "Wenn Sie da 20.000 Plätze dazugeben, sind die auch voll."

Der Rats-Vorsitzende Jürgen Mittelstraß kann sich auch vorstellen, dass Teile einer Uni-Ausbildung an FHs stattfinden. Derzeit gebe es nur die Möglichkeit, dass besonders begabte FH-Absolventen ein Doktorat an einer Uni absolvieren. Künftig könnten aber etwa grundlagenorientierte Ausbildungsteile eines Studiums an der Uni stattfinden, die anwendungsorientierten Teile an einer FH.

Zur Qualitätssicherung an FHs schlägt der Rat eine Quote für fest angestelltes Lehrpersonal vor. Ansonsten liefen die FHs Gefahr, reine "Kursanbieter zu sein, wo es fast keinen Staff gibt und wo vorbeireisende Vortragende Kurse abwickeln". In Deutschland existiere etwa die Regel, dass die Hälfte der Lehrveranstaltungen von fest angestelltem, zumindest halbtägig beschäftigtem Lehrpersonal abgehalten werden müssen. Der stellvertretende Rats-Vorsitzende Walter Berka schlug außerdem vor, dass der überwiegende Anteil der Lehre durch Promovierte erfolgen solle. Die Verleihung des Titels "FH-Professor" wiederum solle einheitlich geregelt werden - derzeit erfolge dies durch die FHs selbst nach nicht ganz durchsichtigen Kriterien.

Zu viel wissenschaftlicher Nachwuchs

Einen Personal-Engpass befürchtet Mittelstraß nicht: "Wir bilden derzeit mehr wissenschaftlichen Nachwuchs aus, als Platz findet." Die Kapazitäten für mehr gut ausgebildetes FH-Personal seien da. "Diese Leute müssten aber auch dort ihre Aufgabe sehen."

Dem Wissenschaftsministerium empfiehlt der Rat den Abschluss von Leistungs- und Gestaltungsvereinbarungen mit den FHs, um nach dem Wegfall des FH-Rats "inhaltlich noch eine kleine Zehe im FH-Sektor zu behalten", so Prisching. Ansonsten gäbe es nur eine reine Platzfinanzierung ohne inhaltliche Kontrolle.

Für die Pädagogischen Hochschulen (PHs) sieht der Rat keine große Zukunft: "Für ein kleines Land wie Österreich ist das tertiäre Feld bunt genug", so Mittelstraß. "Königsweg" für die Lehrerausbildung wären vermutlich "Schools of Education" an den Universitäten mit Anbindung an Modellschulen, wie es etwa in Salzburg geplant ist; eine andere Möglichkeit wäre die Führung der PHs als FHs. (APA, 26.6.2012)